"Normalfamilie" wird in Deutschland immer seltener

Mehr Ehen ohne Trauschein - Die Scheidungsrate steigt - Bräute und Bräutigame immer älter

Die "Normalfamilie" - ein Ehepaar mit gemeinsamen leiblichen Kindern - wird in Deutschland immer seltener. In Zukunft wird es mehr Alleinerziehende, mehr Familien mit einem Stief-Elternteil und eine Vielzahl alternativer Lebensformen geben. Auch die Zahl der Scheidungen, insbesondere von Ehen mit Kindern, steigt. Das geht aus einer Materialsammlung hervor, die die Bundes-CDU jetzt veröffentlicht hat, um die innerparteiliche Programmdiskussion mit Fakten zu unterfüttern. Danach ist der Bevölkerungsanteil, der in Familienhaushalten lebt, in den letzten 25 Jahren von 72 auf 57 Prozent gesunken. In Deutschland gibt es 22,4 Millionen Ehepaare oder eheähnliche Gemeinschaften; weniger als die Hälfte, nämlich 10,3 Millionen, haben Kinder. Kinderreiche Familien sind in einer kleinen Minderheit. Nicht einmal drei Prozent der Ehepaare und weniger als zwei Prozent der Alleinerziehenden haben vier und mehr Kinder.

Durch Scheidungen werden die Verwandtschaftsbeziehungen komplizierter. Die Zahl der Scheidungen hatte 1997 mit 187 800 das höchste Niveau der Nachkriegszeit erreicht. 1996 waren im Westen Deutschlands bei 53 Prozent aller geschiedenen Ehen Kinder betroffen, im Osten bei 69 Prozent. Nach Erkenntnissen von Familienforschern neigen Scheidungskinder dazu, sich später auch scheiden zu lassen. "Das Scheidungsrisiko kann sich deshalb im Laufe der Zeit potenzieren", so die CDU-Familienexperten. Demnach nimmt der Wille zur Eheschließung ab. Die Zahl der Alleinlebenden steige, besonders im Westen und bei Akademikern. Es wird auch später geheiratet. Ledige Männer seien bei ihrer ersten Eheschließung durchschnittlich 30,3, Frauen 27,8 Jahre alt.

Die nichteheliche Lebensgemeinschaft habe in den letzten drei Jahrzehnten zugenommen. Im Westen wähle jeder 23. Haushalt diese Lebensform; im Osten jeder 17. Im Westen lebten in knapp 22 Prozent dieser Gemeinschaften minderjährige Kinder, im Osten seien es 48 Prozent. Fast jedes fünfte Kind unter 18 Jahren lebt mit einem alleinerziehenden Elternteil zusammen. 56 Prozent der Alleinerziehenden sind entweder geschieden oder leben getrennt von ihrem Ehepartner. 36 Prozent sind ledig und acht Prozent verwitwet. 2,6 Millionen Minderjährige leben in Haushalten von Alleinerziehenden - rund 409 000 beim Vater, 2,2 Millionen bei der Mutter.

Jede zehnte Familie mit Kindern in Deutschland ist eine ausländische Familie. Im Durchschnitt hat sie mehr Kinder als eine deutsche Familie. 86 Prozent der ausländischen Paare sind miteinander verheiratet. Nichteheliche Familienformen sind besonders selten bei türkischen Familien (neun Prozent), die 38 Prozent aller ausländischen Familien stellen. In Deutschland wachsen die meisten Kinder bei ihren leiblichen Eltern auf. Rund 130 000 leben in einer Pflegefamilie (48 000), in einem Heim (62 000) oder in einer anderen betreuten Wohnform (20 000). Jedes Jahr werden über 10 000 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien und etwa 22 500 in Heimen untergebracht. idea
 
 

30/31.10.1999
Saarbrücker Zeitung