Wenn sich ein Baby ankündigt, ist dies für Paare noch lange kein Grund zu heiraten

Zwölf Prozent der 1998 im Odenwaldkreis geborenen Kinder waren »nicht ehelich«

Odenwaldkreis. Wenn sich ein Baby ankündigt, ist dies für viele Paare noch lange kein Grund vor den Standesbeamten oder vor den Altar zu treten. 112 nichteheliche Kinder wurden letztes Jahr im Odenwaldkreis geboren. Damit hatten rund zwölf Prozent aller Neugeborenen Eltern, die nicht miteinander verheiratet waren, wie aus den Zahlen des Hessischen Statistischen Landesamtes hervorgeht.

Udo Jürgens hat zwei, Harald Schmidt hat zwei, Hera Lind hat drei ­ uneheliche Kinder sind heutzutage keine Seltenheit mehr und auch keine Schmach. Selbst Königskinder haben unehelichen Nachwuchs ­ so wie Prinzessin Stephanie von Monaco. Und wenn ihre große Schwester nicht noch schnell geheiratet hätte, wäre auch Alexandra, der jüngste Spross der Grimaldis, nichtehelich auf die Welt gekommen.

Doch nicht nur Reiche und Berühmte leisten sich das Kind ohne Trauschein. Ja zum Baby und Nein zum Heiraten sagen immer mehr Menschen auch in Hessen. Um 8,5 Prozent ist hier letztes Jahr die Zahl der unehelich geborenen Kinder gestiegen, obwohl gleichzeitig die Zahl der Geburten um über vier Prozent sank. Seit Jahren wächst der Anteil der nichtehelich Geborenen in Hessen kontinuierlich und liegt inzwischen bei 15,1 Prozent. Damit hatte letztes Jahr fast jedes sechste hessische Kind Eltern, die nicht miteinander verheiratet waren.

Die Tendenz: steigend

Und das ist im europäischen Vergleich nicht mal viel. »In der EU wird jedes vierte Kind nichtehelich geboren«, informiert Eurostat, das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaft in Luxemburg. 46 europäische Länder hat Eurostat miteinander verglichen, das Ergebnis: In Island werden rund zwei Drittel und in Dänemark, Estland, Norwegen und Schweden fast die Hälfte aller Babys nichtehelich geboren. Immerhin noch 30 Prozent beträgt der Anteil der unehelichen Kinder bei den Nachbarn Frankreich und Großbritannien. Keine Kinder ohne Trauschein ist dagegen nach wie vor die Devise in Griechenland, Malta, Italien und der Schweiz, wo nur zwischen 3,3 und 8,3 Prozent der Babys nichtehelich zur Welt kommen. Allerdings gilt auch hier: Tendenz steigend. Und so hat sich in Zypern, wo mit gerade mal 1,4 Prozent die wenigsten Babys von unverheirateten Eltern stammen, diese Rate seit 1980 mehr als verdoppelt.

Doch zurück im Odenwaldkreis: Hier kamen vor fünf Jahren, 1994, noch 9,1 Prozent aller Kinder nichtehelich zur Welt. Inzwischen sind es 11,8 Prozent. Mit diesen 11,8 Prozent liegt der Odenwaldkreis unter dem hessischen Durchschnitt von 15,1. Wobei die regionalen Unterschiede beträchtlich sind.

Deutliches Stadt-Land-Gefälle

Ordentlich geheiratet wird nach wie vor im Landkreis Fulda, der mit 10,5 Prozent nichtehelichen Kindern die niedrigste Rate in Hessen aufweist. Es folgen der Kreis Groß-Gerau, der Lahn-Dill-Kreis und der Odenwaldkreis, die alle drei unter 12 Prozent liegen. Den höchsten Wert hat mit 25,2 Prozent die Stadt Kassel, gefolgt von den Städten Darmstadt, Wiesbaden und Offenbach. Denn so ganz ohne Makel ist die uneheliche Geburt auch wieder nicht ­ wie das Stadt-Land-Gefälle zeigt. Im Schnitt kommen deshalb auch in den Landkreisen nur 13,8 Prozent aller Kinder nichtehelich zur Welt, aber 20 Prozent aller Kinder in den kreisfreien Städten.

Und so hat sich die Zahl der nichtehelichen Babys in den letzten fünf Jahren im Odenwaldkreis entwickelt: Nach 98 Kindern im Jahr 1994 gab es 1995 einen Rückgang um 1,0 Prozent auf insgesamt 97 uneheliche Babys. 1996 wurden wieder 20,6 Prozent mehr Kinder mit ledigen Eltern geboren (117). 1997 waren es mit 105 Geburten wieder 10,3 Prozent weniger. Und 1998 war nochmal ein Anstieg um 6,7 Prozent zu verzeichnen.

Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Kinder, die unehelich geboren wurden, an der Gesamtzahl der Geburten von 9,1 Prozent im Jahr 1994 über 9,4 Prozent (1995), 11,4 Prozent (1996) und 9,3 Prozent (1997) auf 11,8 Prozent im letzten Jahr.

Zum 1. Juli 1998 ist auch das neue Kindschaftsrecht in Kraft getreten, das vor allem für uneheliche Kinder Veränderungen mit sich bringt und mit dem die frühere Familienministerin Nolte den Veränderungen in der Gesellschaft Rechnung tragen wollte. So können nach dem neuen Recht auch nicht miteinander verheiratete Eltern ein gemeinsames Sorgerecht für ihr Kind haben. Das Kind bekommt außerdem nicht mehr automatisch den Nachnamen der Mutter, sondern kann auch den Namen des Vaters tragen, wenn beide Elternteile das wollen.

Gleiche Bedingungen für alle Kinder

»Nichtehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie ehelichen Kindern« ­ das ist laut Bundesjustizministerium der Hauptgrund für die Reform des Kindschaftsrechts.

»Das Gesetz beschränkt sich nicht darauf, die Stellung der nichtehelichen Kindern den ehelichen anzulehnen«, so das Justizministerium auf seiner Internet-Site (http://www.bmj.bund.de).

»Vielmehr sollen, wie im Grundgesetz vorgegeben, möglichst gleiche Bedingungen und Chancen für alle Kinder geschaffen werden.« Das wurde auch bei der Wortwahl beachtet: Im Gesetzestext tauchen die Begriffe »eheliches Kind« und »nichteheliches Kind« nicht mehr auf. Die Statistiker werden indes schwerlich darauf verzichten können.(krü)