Säumige Väter können oft wirklich nicht zahlen
Zweijähriger Modellversuch bringt
überraschendes Ergebnis: Rückholquote ist bei Anwaltskanzlei
nicht höher
von Oliver Schirg
Ein Großteil der unterhaltspflichtigen
Väter, die für die Alimente ihrer Kinder nicht aufkommen, ist
offenbar aus triftigen Gründen dazu nicht in der Lage. Das ist nach
Informationen der WELT das überraschende Ergebnis eines zweijährigen
Modellversuchs der Sozialbehörde. Danach verfügen viele der betroffenen
Unterhaltspflichtigen nicht über genügend Einkommen oder sind
zahlungsunfähig. Bislang gingen Fachleute davon aus, daß rund
ein Drittel der Zahlungspflichtigen falsche Angaben über ihr Einkommen
macht oder ihre Finanzverhältnisse bewußt nicht prüfen
läßt.
Hamburg muß jährlich für
rund 14 000 Kinder etwa 22 Millionen Euro an Unterhaltsvorschüssen
auszahlen, erhält von den säumigen Elternteilen jedoch lediglich
rund 15 Prozent zurück. Bundesweit wurden rund 740 Millionen Euro
an Unterhaltsvorschüssen gezahlt. Davon flossen lediglich rund 140
Millionen Euro in die Staatskasse zurück. Um diese Quote zu erhöhen,
beauftragte die Sozialbehörde vor zwei Jahren im Rahmen des Modellversuchs
eine Anwaltskanzlei. Diese sollte in rund 1200 Fällen versuchen, die
Unterhaltspflichtigen zur Zahlung zu bewegen. Zwar konnte in 50 Prozent
ein Unterhaltstitel erwirkt werden. Allerdings konnten die Betroffenen
zumeist nicht zahlen.
Lediglich in zwölf Prozent der Fälle
konnte eine Zahlung des Unterhalts erreicht werden, heißt es in der
Auswertung des Modellversuchs. Das sei in etwa genauso viel, wie früher
von den Jugendämtern in den Bezirken erreicht wurde. Auch bei den
besonders schwierigen Fällen konnte die Kanzlei offenbar nicht erfolgreicher
arbeiten als die Ämter. Dort betrage die Rückholquote lediglich
sechs Prozent. Allerdings rechnet man in der Behörde in diesem Bereich
noch mit einem Anstieg, weil die Kanzlei mit einer Reihe von Unterhaltspflichtigen
Ratenzahlungen vereinbart hat.
Im Rahmen des Projekts sei allerdings die
Schuldnerstruktur klar geworden, hieß es. So sind rund 48 Prozent
der säumigen Väter arbeitslos und erhalten nur so viel Geld,
daß es zum eigenen Leben reicht. 22 Prozent der Schuldner sind Sozialhilfeempfänger,
16 Prozent haben eine Beschäftigung. Zehn Prozent der Betroffenen
gelten als "unbekannt verzogen", zwei Prozent besitzen kein Vermögen,
zwei Prozent befinden sich in der Ausbildung oder sind Studenten. Die Behörde
geht davon aus, daß es angesichts der schwierigen konjunkturellen
Lage und der hohen Arbeitslosigkeit in nächster Zeit nicht möglich
sein wird, die Rückholquote deutlich zu erhöhen.
Das Verfahren, dem säumigen Elternteil
auf die Schliche zu kommen, war langwierig. So mußten sie mehrfach
angeschrieben werden und erhielten die Möglichkeit zur Erklärung.
Erst wenn alle Fristen verstrichen waren, konnten Anträge bei Gericht
eingereicht werden. Für die Anwälte sprachen ihre größere
Professionalität und deren technische Ausstattung.
Artikel erschienen am Mit, 3. November
2004