Rekordjahr beim Rosenkrieg

Bilanz des Statistischen Landesamts: In Rheinland-Pfalz scheitern jährlich mehr als 10 000 Ehen

Von unserem Redaktionsmitglied
AXEL MUNSTEINER

TRIER. Was einst als Bund fürs Leben begann, endet in vielen Fällen vor dem Scheidungsrichter. Bundesweit scheitern mittlerweile 30 von 100 Ehen – und auch in Rheinland-Pfalz weist die aktuelle Bilanz einen neue Rekordmarke auf.

Das statistische Landesamt in Bad Ems registrierte im Jahr 2000 insgesamt 10416 Scheidungen. Damit wurde der bisherige Höchststand von 1998 (10148) deutlich überboten. Berücksichtigt man beide Ehepartner und die rund 8300 minderjährigen Kinder, die zu "Scheidungswaisen" wurden, so sind inzwischen jährlich etwa sieben Prozent der rheinland-pfälzischen Bevölkerung unmittelbar von einer Ehescheidung betroffen.

Verflixt ist meist das sechste Jahr

In der Region bewegt sich diese Quote in den Landkreisen Trier-Saarburg und Bitburg-Prüm im Bereich des Landesdurchschnitts. In der Stadt Trier sowie den Landkreisen Bernkastel-Wittlich und Daun liegen die Zahlen etwas niedriger.

Entgegen der landläufigen Meinung ist es aber nicht das "verflixte siebte Jahr", in dem die meisten Ehen in die Brüche gehen. Das Scheidungsrisiko ist – laut Statistik – vielmehr im sechsten Ehejahr am höchsten. "Aus meiner Sicht ist die Dauer einer Ehe aber nicht ausschlaggebend", betont Marie-Luise Pott, Psychologin bei der Beratungsstelle "Pro Familia" in Trier. "Kritisch ist oftmals der Einstieg in eine neue Lebensphase, wenn kleine Kinder da sind oder beispielsweise der Hausbau ansteht".

Aber auch lange Zweisamkeit schützt mitunter vor Trennung nicht: "Wir beraten zunehmend auch ältere Paare, die nach einer Lösung für ihre Beziehungsprobleme suchen", sagt Harald Herres, Referatsleiter , Referatsleiter für Kinder, Jugend und Familienhilfe beim Caritasverband für die Region Trier.

Eine Beobachtung, die die Scheidungs-Statistik belegt. Nach mehr als 25 Jahren Ehe trennten sich im Jahr 2000 immerhin noch 977 rheinland-pfälzische Paare. In drei Fällen löste der Scheidungsrichter den Bund fürs Leben sogar noch nach der Goldenen Hochzeit auf.

Frauen ergreifen meist die Iniative

"Für viele Paare ist es ein großer Einschnitt, wenn die Kinder aus dem Haus gehen. Viele Partner registrieren erst dann, dass ihre Kinder das einzige verbindende Glied in der Beziehung waren und sie sich ansonsten weit auseinander gelebt haben", weiß Harald Herres aus Erfahrung.

Dabei sind es überwiegend die Frauen, die die Initiative ergreifen und ein Scheidungsverfahren beantragen. Die Münchner Paartherapeutin Gina Kästele macht dafür das neue Selbstverständnis der Frau verantwortlich. Durch ihre zunehmende Berufstätigkeit würden Frauen immer selbstbewusster und vor allem unabhängiger. Dadurch entfalle der Zwang, in einer unbefriedigenden Partnerschaft bleiben zu müssen, da ansonsten die finanzielle Versorgung nicht mehr gewährleistet ist. "Der Schritt in die Emanzipation kann somit zugleich der Schritt in die Scheidung sein", meint Kästele.

Marie-Luise Ross bedauert insbesondere, dass sich viele Paare erst viel zu spät an professionelle Beratungsstellen wenden. "Die Betoffenen stecken oftmals schon jahrelang in einer Beziehungskrise. Sie geben ihrer Ehe kaum noch eine Chance und haben innerlich schon resigniert."

Ein Rosenkrieg mit einem erbitterten Streit über die Aufteilung von Hab und Gut und das Sorgerecht für Kinder ist allerdings eher die Ausnahme. Anders als im Fall Barbara und Boris Becker sind in Rheinland-Pfalz "einvernehmliche Scheidungen" die Regel. Nur wenigen (knapp fünf Prozent), die ein Ehelösungsverfahren alleine beantragt hatten, blieb die Zustimmung des Noch-Partners versagt.

Montag, 23. Juli 2001
http://www.intrinet.de/20010723/wi423063.htm