Wenn Männer nicht VÄTER ihrer Kinder sind

Dramen nach heimlichen DNA-Tests / Immer mehr Labors werben online um Kunden Schwerin/Wiesbadenen Es gibt Schätzungen, dass fünf bis zehn Prozent aller Kinder nicht von dem vermeintlichen Vater stammen. Deshalb lassen immer mehr Männer ohne Wissen von Mutter und Kind per Abstammungsgutachten auf eigene Kosten prüfen, ob ihr Kind auch tatsächlich von ihnen gezeugt wurde, berichten Labors, die solche Untersuchungen durchführen.

Von Sandra Trauner (dpa),
Angela Hoffmann
und Jürgen Hamann

Auf dem wachsenden Markt beginnen sich private Unternehmen zu etablieren, die solche Dienste zu einem Bruchteil der Kosten anbieten. "Nach dem Fall Boris Becker stieg die Nachfrage sprunghaft", berichtet Angelika Lösch, Geschäftsführerin des privaten Wiesbadener ID-Labors. Für 820 Mark kann man dort einen DNA-Test in Auftrag geben. Zum Nachweis genügen ein wenig Speichel oder Haare. Schon im zweiten Jahr seines Bestehens suchten rund 3000 Kunden das Labor auf - fast alle Privatleute. "Es spricht sich eben herum, dass ein solcher Test möglich und gar nicht teuer ist", begründet Lösch den Boom.

Sicherheit beträgt 99,9 Prozent

"Die meisten Kunden sind Männer", bilanziert Christine Ringholz, die beim Deutschen Roten Kreuz Abstammungsgutachten schreibt und verschickt. "Manchmal kommen Familienvätern eben Gerüchte zu Ohren, oder die Frau gesteht einen Seitensprung." Dann wollten die Männer Sicherheit.

Beim Roten Kreuz kostet der Test mit rund 3000 Mark deutlich mehr, dafür beträgt die Sicherheit des Gutachtens "mindestens 99,9 Prozent", wie Ringholz erläutert. Neben der DNA-Analyse prüfen die Mitarbeiter die Vaterschaft auch mit Hilfe der Blutgruppe und der Blutkörperchen.

Auch Mütter wünschen Klarheit

Manchmal kämen auch Frauen, die sich über den Erzeuger ihres Kindes im Unklaren sind, berichten Labors. Da war zum Beispiel die Frau, die nacheinander mit drei möglichen Kindsvätern ins Frankfurter Zentrum für Rechtsmedizin kam - "aber keiner war der Vater", wie Richard Zehner der Frau mitteilen musste. Oder die Gymnasiastin, die drei Klassenkameraden zugleich testen ließ: "Da war der Richtige dabei."

Manchmal kämen auch Frauen mit dem Liebhaber: "Die wollen wissen, von wem das Kind ist, um dann zu entscheiden, ob sie dem Mann etwas beichten müssen oder nicht."

In den meisten Fällen treibt jedoch eine drohende Unterhaltszahlung mögliche Väter ins Labor. Bevor die Sache vor Gericht geht und richtig teuer wird, versuchen die Parteien, sich privat zu einigen, berichtet Zehner. Beim ID-Labor in Wiesbaden tauchen auch schon mal die Schwiegereltern auf, die der ungeliebten Gattin des Sohns Untreue unterstellen. Oder die Kinder aus zweiter Ehe gönnen der Stiefschwester aus erster Ehe nichts von der Erbschaft, so lange deren "Tochterschaft" nicht amtlich bewiesen ist.

Dass die Zahl der privaten Labors steigt, ist neuen, einfacheren Analyse-Techniken zu verdanken. "Da brauchen Sie eine Maschine, in die geben Sie oben was rein und unten spuckt es die Faktoren aus", erklärt der Vorsitzende der Interessengemeinschaft der Sachverständigen für Abstammungsgutachten, Helmut Adamek. Bei den privaten Labors herrsche die reinste "Goldgräberstimmung". Viele nutzen auch das Internet, um für sich zu werben. Seriös seien aber nicht alle: "Da können Sie Ihrem Kind ein paar Haare ausreißen und ein paar von sich selbst mit in den Briefumschlag legen, und die machen Ihnen ein Gutachten."

Ausgangspunkt für Gerichtsverfahren

Ein privater Vaterschaftstest kann das gerichtliche Verfahren nicht ersetzen. "Über Sorgerecht und Unterhaltspflicht entscheidet allein die Justiz", betont Familienanwalt Dr. Axel Schöwe. Der wesentliche Unterschied zwischen einem Vaterschaftstest und einem Vaterschaftsgutachten ist ein formaljuristischer. Bei einem Gutachten muss immer durch eine autorisierte Person mittels Ausweis und Fingerabdrücke die Identität der betreffenden Person festgestellt werden. Ein privater Test könne allerdings als Ausgangspunkt für ein Verfahren dienen. Seiner Erfahrung nach scheitert das Unternehmen oft schon im Vorfeld, da die Mütter den Test meistens ablehnen.

"Schließlich richtet sich so ein Vaterschaftstest direkt gegen die Mutter", gibt auch Doris Wielepp von der Beratungsstelle der Evangelischen Jugend in Schwerin zu bedenken. Als Familienberaterin kennt sie die sozialen Dramen, die durch Blutabnahme oder Speicheltest ausgelöst werden können. "Es kommt häufig vor, dass Männer den Test verlangen, wenn sie von der Partnerin gekränkt wurden. Was dann als Rache an der Frau gedacht ist, trifft aber letztlich immer das Kind", warnt Doris Wielepp. Deshalb rät sie grundsätzlich von einem Vaterschaftstest ab, wenn das Kind schon geboren ist. "Wozu soll es gut sein, wenn sich herausstellt, dass der soziale Vater nicht der leibliche ist?"
 

Das Drama spielt sich erst zu Hause ab So mal nebenbei lässt niemand einen Vaterschaftstest machen, berichten die Labors. "Meist steckt ein unheimlicher Leidensdruck dahinter", sagte Angelika Lösch. Daher seien die meisten Kandidaten auch sehr gesprächig - eine Erfahrung, die fast alle ihre Kollegen bestätigen. Den "Showdown" bekommen die Institute letztlich gar nicht mit: "Wir schicken das Gutachten mit der Post", sagt Zehner. "Die wahren Dramen spielen sich dann in den eigenen vier Wänden ab."
 
 

Sonnabend, 9. Juni 2001
Schweriner Volkszeitung