Klage auf Wegfall des titulierten Mindestkindesunterhalts

ZPO § 323; BGB § 1603 II 1

1. Zu den Voraussetzungen der Abänderung einer auf der Zurechnung fiktiven Einkommens beruhenden Unterhaltsverpflichtung.

2. Hat eine Unterhaltsregelung die Zurechnung eines fiktiven Erwerbseinkommens zum Gegenstand, so ist nachträglich nur dann eine Anpassung an tatsächliche Verhältnisse zu rechtfertigen, wenn der Unterhaltspflichtige in der unterhaltsrechtlich gebotenen Weise darlegt und beweist, dass er gleichwohl keine Arbeitsstelle mit dem unterstellten Einkommen erlangen konnte. (Leitsatz 2 von der Redaktion)

OLG Hamm, Urteil vom 25. 6. 2008 - 10 UF 12/08

zum Sachverhalt:

Das AG - FamG - hat den ursprünglich für den Bekl. titulierten Mindestkindesunterhalt von monatlich 199 Euro mangels Leistungsfähigkeit des Kl. auf dessen Antrag ab Oktober 2007 auf Null abgeändert. Dagegen richtet sich die Berufung des Bekl. Er hält an seinem Standpunkt fest, wonach sich der gesteigert unterhaltspflichtige Kl. nicht allein darauf berufen könne, dass sein nunmehr vollschichtig bei einer Zeitarbeitsfirma erzieltes Erwerbseinkommen unstreitig nicht hinreiche. Ihm sei darüber hinaus nämlich die Erzielung von Nebenverdienst zumutbar, den er sich deshalb fiktiv in einer Höhe zurechnen lassen müsse, dass insgesamt Leistungsfähigkeit begründet sei. Der Kl. ist der Ansicht, ihm sei ein Nebenerwerb wegen der Ausgestaltung seiner Arbeitstätigkeit bei der Zeitarbeitsfirma und ferner wegen der wahrzunehmenden regelmäßigen Umgangskontakte mit dem Bekl. nicht zumutbar. Ein höheres Erwerbseinkommen könne ihm nicht zugerechnet werden, da er sich um solches zwar im erforderlichen Maße, jedoch erfolglos bemüht habe. Die Berufung des Bekl. hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

II. Die Abänderungsklage ist mangels Schlüssigkeit abzuweisen.

Die Abänderungsklage nach § 323 ZPO dient dazu, die im abzuändernden Titel enthaltene Zukunftsprognose daran anzupassen, dass diese Prognose auf Grund einer nachträglichen Veränderung der Verhältnisse nicht mehr gerechtfertigt ist und deshalb nicht aufrechterhalten werden kann (vgl. zuletzt BGH, NJW 2008, 1525 = FamRZ 2008, 872 [873]).

Das kann der Fall sein, wenn die Parteien den Eintritt einer bestimmten Tatsache unterstellt haben, die sich tatsächlich so nicht eingestellt hat. Dabei bedarf der Gegenstand der unterstellten Tatsache genauer Betrachtung.

Sie betrifft hier unstreitig die Prognose, dass der Kl. bei gehörigen Bemühungen Erwerbseinkommen in einer den Mindestunterhalt ermöglichenden Höhe erzielen könnte. Daraus ergibt sich, dass es allein mit dem Vortrag des Kl., er verdiene inzwischen vollschichtig, dies ergebe jedoch keine Leistungsfähigkeit, nicht getan ist, solange er nicht vorgelagerte gehörige Erwerbsbemühungen dartut.

Bei einer Prognose der vorliegenden Art kann sich der Unterhaltsschuldner auf deren Nichteintritt nur berufen, wenn dies auf von ihm nicht beeinflussbaren Umständen beruht und er den Nichteintritt zudem nicht zu vertreten hat. Umstände, die seiner Risikosphäre zugeordnet sind, verbleiben in seiner gestaltenden Verantwortung.

Die Berufung auf den Nichteintritt der Prognose kann daher nur dann die Anpassung rechtfertigen, wenn er alles Erforderliche und Zumutbare für den unterstellten Eintritt getan hat und aus dem Grund nicht mehr an der Prognose festgehalten werden kann. Hatte die Unterhaltsregelung, wie hier, die Zurechnung eines fiktiven, zum damaligen Zeitpunkt nicht vorhandenen Erwerbseinkommens zum Gegenstand, so ist nachträglich nur dann eine Anpassung an tatsächliche Verhältnisse zu rechtfertigen, wenn der Pflichtige in der unterhaltsrechtlich gebotenen Weise darlegt und beweist, dass er gleichwohl keine Arbeitsstelle mit dem unterstellten Einkommen erlangen konnte (vgl. Senat, Beschl. v. 20. 1. 2006 - 10 WF 192/05).

Das hat der Kl. ungeachtet des terminsleitenden Hinweises des Senats nicht vorgetragen. Es hätte der nachvollziehbaren Darlegung konkreter Bewerbungsbemühungen bedurft, die nach Form, Inhalt und Anzahl dem gerade bei Unterhaltspflichten gegenüber privilegiert Berechtigten - wie dem Bekl. - notwendigen, durchgängigen und ernsthaften Bemühen gem. § 1603 II 1 BGB Ausdruck verliehen. Dazu enthält das Vorbringen außer allgemein gehaltenen Beteuerungen des Kl., alles ihm Mögliche getan zu haben, nichts.

Da der Klagevortrag schon deshalb nicht ausreicht, kommt es nicht auf die Frage an, ob der Kl. sich fiktives Nebeneinkommen zurechnen lassen müsste - was nicht zuletzt im Hinblick auf jüngste BGH-Rechtsprechung (NJW 2008, 1525 = FamRZ 2008, 872 [874f.]), die vom Senat geteilt wird, zweifelhaft erscheint.

Anm. d. Schriftltg.:

S. hierzu auch OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 2008, 888. Vgl. zur Abänderung des durch Jugendamtsurkunde titulierten Kindesunterhalts OLG Dresden, NJOZ 2008, 2666. Die Grundzüge der Abänderung von Unterhaltstiteln erläutert Graba, FPR 2008, 100.