Fall Ruben:

Der europäische Menschenrechtshof verurteilt die Schweiz

Bern/Brüssel. SDA/baz. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Schweiz am Mittwoch wegen der Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention gerügt. Einem 67-jährigen Westschweizer war verweigert worden, die sterblichen Überreste seines mutmasslichen Vaters zu exhumieren.

Er wollte mittels einer DNA-Analyse erfahren, ob es sich beim 1976 Verstorbenen tatsächlich um seinen Erzeuger handelt. Dieses Recht wurde ihm von der Genfer Justiz verweigert. Auch das Bundesgericht wies eine staatsrechtliche Beschwerde im Juni 2000 ab.

Der EGMR kam zum Schluss, dass die Schweiz damit gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstossen habe. Dieser garantiert das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.

Laut dem Urteil des EGMR hätte die Schweiz dem Mann das Recht auf eine DNA-Analyse des Verstorbenen geben müssen - dies obwohl sich die Angehörigen einer Exhumierung widersetzten.

Die persönliche Freiheit umfasse das Recht, die eigene Abstammung zu kennen, urteilte der EGMR. Die Schweiz muss dem Mann nun eine Entschädigung für die Prozesskosten in Höhe von rund 4300 Euro (6735 Franken) zahlen.

Jahrzehntelange Suche nach dem Vater

Der Kläger wurde 1939 in Genf geboren. Eine Vaterschaftsklage gegen seinen mutmasslichen Erzeuger wurde von der Genfer Justiz 1948 abgewiesen. 50 Jahre später beantragte der damals 60-jährige aufgrund neuer Beweismittel die Revision dieses Urteils.

So habe ihm etwa seine Mutter 1958 bestätigt, dass der Eingeklagte tatsächlich sein Vater sei. Er habe von ihm auch Geschenke und bis zu seiner Volljährigkeit monatlich 10 Franken erhalten.

Zur definitiven Klärung seiner Abstammung ersuchte er um Entnahme von DNA aus den sterblichen Überresten des 1976 Verstorbenen. Seine Klage wurde von der Genfer Justiz aber abgewiesen.

Das Genfer Kantonsgericht als zweite Instanz hielt dabei fest, dass eine Feststellung der Vaterschaft losgelöst von einer Änderung des Zivilstandsregisters nicht möglich sei. Auf eine solche Anpassung habe er aber keinen Anspruch mehr. Gegen diesen Entscheid erhob der Mann vergeblich Beschwerde am Bundesgericht.

15.07.2006

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