Ein deutsches Gericht spielt das Hännesje
BVG verhilft Vater zu Umgangsrecht / / Scharfe Kritik an OLG Naumburg / Dürfen Richter ungestraft Recht beugen?

Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat einem Vater in einem nun fünf Jahre dauernden Streit erneut zum Umgangsrecht mit seinem nicht ehelich geborenen Sohn verholfen. Das BVG übte in dem am Mittwoch in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss zugleich scharfe Kritik am Oberlandesgericht Naumburg, das eine entsprechende Entscheidung des BVG vom Oktober sowie ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ignoriert hatte. (1 BvR 2790/04)

Im dem zu Grunde liegenden Fall streitet der türkische Vater eines 1999 unehelich geborenen Jungen um das Umgangs- und Sorgerecht. Die deutsche Mutter, die bereits zwei uneheliche Kinder von verschiedenen Männern hatte, gab den Sohn Christofer nach der Geburt zur Adoption frei. Seitdem lebt der Junge bei seinen Pflegeeltern, einem Studienrats-Ehepaar. Der leibliche Vater hatte erst Monate später von der Geburt des Kindes erfahren und bemühte sich seitdem in zahlreichen gerichtlichen Verfahren um Umgang mit dem Kind.

Er scheiterte damit aber mehrfach vor dem Oberlandesgericht Naumburg, dass das Wohl des Kindes in der neuen Familie höher bewertete als das Elternrecht des Klägers. Die Straßburger Richter hatten dann im Februar entschieden, dass der Ausschluss seines Umgangsrechts gegen die Menschenrechtskonvention verstößt und der deutsche Staat grundsätzlich verpflichtet sei, auf die Zusammenführung eines leiblichen Elternteils mit seinem Kind "hinzuwirken".

Nachdem das Amtsgericht dem Kläger daraufhin das Umgangsrecht einräumte, hob das OLG dieses Urteil mit der Begründung auf, an Urteile aus Straßburg seien deutsche Gerichte als "unabhängige Organe der Rechtssprechung" nicht gebunden. Auf die Eilklage des türkischen Vaters hatte dann das BVG dieses Urteil aufgehoben und vom OLG gefordert, sich in einem neuen Verfahren mit der Entscheidung des Menschenrechtsgerichtshofs "nachvollziehbar" auseinanderzusetzen. Doch auch dem verweigerte sich das OLG und erklärte sich zunächst für "nicht zuständig".

Nachdem das Amtsgericht dem Vater dann eingeräumt hatte, seinen Sohn jeweils samstags für zwei Stunden sehen zu dürfen, hob das OLG diese Entscheidung am 20. Dezember "wegen drohender Gefährdung des Kindeswohls" wieder auf. Das BVG bezeichnete dies in seiner einstweiligen Anordnung nun als willkürlich und ordnete an, dass der Vater bis zur endgültigen Entscheidung des BVG Umgang mit seinem Kind haben kann. (afp)

http://www.saar-echo.de/news.php?news_ID=17311


VERFASSUNGSGERICHT

Türkischer Vater erhält vorläufig Umgangsrecht
 
 

Karlsruhe · 29. Dezember · ukn · Der türkische Vater, der seit fünf Jahren um das Sorgerecht für seinen nicht-ehelichen Sohn kämpft, kann sein Kind ab sofort zwei Stunden pro Woche sehen. Das Bundesverfassungsgericht hat in den Rechtsstreit eingegriffen und dem Vater am Mittwoch im Eilverfahren ein Umgangsrecht zugesprochen.

Gleichzeitig richtete die Kammer des Ersten Senats unter Vorsitz von Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier schwerste Vorwürfe an den 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg. Er bescheinigte dem OLG-Senat "Willkür" und Umgehung des Prozessrechts.

Vorgeschichte des Falls ist, dass die Mutter sich von dem türkischen Vater trennte und das Kind einen Tag nach der Geburt zur Adoption freigab. Seither streitet der in Deutschland lebende Vater um das Sorge- und Umgangsrecht. Der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg bewertete mehrere abschlägige deutsche Gerichtsurteile im Februar 2004 als Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention. Trotzdem versagte das OLG Naumburg dem Mann weiter das Umgangsrecht. Nach mehrfachem Hin und Her sprach das Amtsgericht Wittenberg dem Vater am 2. Dezember zwei Stunden Besuchszeit pro Woche zu. Obwohl es hiergegen eigentlich kein Rechtsmittel gab, setzte das OLG das Umgangsrecht wieder aus.

AZ: 1 BVR 2790/04

http://www.f-r.de/ressorts/nachrichten_und_politik/nachrichten/?cnt=611759


Verfassungsgericht gesteht türkischem Vater Umgangsrecht für Sohn zu

29. Dez 2004 16:42
 

Ein türkischer Vater darf seinen unehelichen Sohn nun regelmäßig sehen. Das Bundesverfassungsgericht erteilte dem Oberlandesgericht Naumburg, das vorher über den Fall entschieden hatte, eine schwere Rüge.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat einem türkischen Vater ein beschränktes Umgangsrecht für seinen Sohn zugesprochen. Es beendete damit einen jahrelangen Rechtsstreit und erteilte Richtern des Oberlandesgerichts Naumburg eine schwere Rüge.
Beim Verfassungsgericht ist nun noch eine Klage des Vaters anhängig, der auch das Sorgerecht für seinen Sohn bekommen will.

Das Kind, das 1999 nicht ehelich geboren wurde, war einen Tag nach der Geburt von seiner Mutter zur Adoption freigegeben worden. Der Vater bemühte sich seitdem, das Umgangs- und Sorgerecht für seinen Sohn zu erhalten, war aber an verschiedenen deutschen Gerichten gescheitert.
 
 

Verstoß gegen Menschenrechtskonvention

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg befand im Februar 2004, dass diese Gerichtsentscheidungen die europäische Menschenrechtskonvention verletzten.

Auch das Bundesverfassungsgerichts befand anschließend, dass das Naumburger Oberlandesgericht sich noch einmal mit dem Fall zu befassen habe. Doch der Fall wurde ans Amtgericht Wittenberg weitergegeben, das Umgangsrecht gewährte. Dagegen gingen die Pflegeeltern und der Vormund des Kindes vor und das OLG Naumburg entschied wieder, dass es kein Umgangsrecht geben dürfe.
 
 

Schwere Rüge

Die Verfassungsrichter stellten nun fest, dass das OLG Naumburg nicht befugt war, diese Entscheidung zu treffen, weil Beschwerde gegen das Urteil vom Amtsgericht nicht zulässig war.

Deshalb werfen die Verfassungsrichter dem Gericht vor, dass es sich «von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, ... indem es die Regelungen der Zivilprozessordnung umgangen hat». Es spreche vieles dafür, dass «willkürlich das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt» wurde. Das gilt als einer der schwerwiegendsten Vorwürfe, die Richtern im Verfahrensrecht gemacht werden können. (nz)

http://www.netzeitung.de/deutschland/319016.html


BVerfG: Vater erhält vorläufig Umgangsrecht
 

(mitgeteilt von www.jurion.de)

Erneut hat das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung des 14. Senats des Oberlandesgerichts Naumburg (OLG) beanstandet, das einem Vater den Umgang mit seinem leiblichen Kind versagt hat. Die 3. Kammer des Ersten Senats hat eine einstweilige Anordnung erlassen, die dem Vater den Umgang bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde (Vb) ermöglicht.
 

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (Bf) ist der Vater eines 1999 nicht ehelich geborenen Kindes. Die Kindesmutter gab das Kind einen Tag nach der Geburt zur Adoption frei und erklärte ihre Einwilligung zur Adoption durch die Pflegeeltern, bei denen das Kind seit seiner Geburt lebt. Seit Oktober 1999 bemüht sich der Bf in verschiedenen gerichtlichen Verfahren um die Übertragung des Sorgerechts und die Einräumung eines Umgangsrechts. Auf seine Individualbeschwerde erklärte eine Kammer der Dritten Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) mit Urteil vom 26. Februar 2004 einstimmig, dass die Sorgerechtsentscheidung und der Ausschluss des Umgangsrechts eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellten. Dennoch versagte der 14. Senat des OLG Naumburg dem Bf die Wahrnehmung des Umgangs mit seinem Kind. Die entsprechende Entscheidung hob der Zweite Senat mit Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - auf (vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 92/2004 vom 19. Oktober 2004) und verwies die Sache an einen anderen Senat des OLG zurück. Dieser vertrat jedoch die Auffassung, nicht zu einer Sachentscheidung befugt zu sein. In der Folge hat das Amtsgericht Wittenberg eine einstweilige Anordnung betreffend das Umgangsrecht des Bf mit seinem Kind getroffen und ihm das Recht eingeräumt, seinen Sohn an jedem Sonnabend in der Zeit von 15 bis 17 Uhr zu sehen.
 

Gegen diese Entscheidung haben sich wiederum das Jugendamt und die Verfahrenspflegerin des Kindes mit ihren sofortigen Beschwerden gewandt. Aufgrund dieser Beschwerden setzte der 14. Senat des OLG Naumburg zunächst mit Beschluss vom 8. Dezember 2004 die Vollziehung der amtsgerichtlichen Entscheidung aus, hob diesen Beschluss aber am 20. Dezember 2004 wieder auf. Mit einem weiteren Beschluss vom 20. Dezember 2004 gab der 14. Senat des OLG Naumburg dem Amtsgericht auf, das (Hauptsache-)Verfahren zum Umgangsrecht "mit äußerster Beschleunigung weiterzuführen und zum Abschluss zu bringen". Bis zu einer abschließenden Entscheidung des Amtsgerichts sei der Umgang des Bf mit seinem Kind "zwecks Meidung einer sonst drohenden Gefährdung des Kindeswohls" ausgeschlossen.
 

Mit seiner gegen die Entscheidung des OLG erhobenen Vb, die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden ist, rügt der Bf u.a. die Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 6 GG und Art. 101 Abs. 1 GG.
 

Der Entscheidung der 3. Kammer des Ersten Senats über den Antrag auf einstweilige Anordnung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Die Vb ist nicht unzulässig und auch nicht offensichtlich unbegründet. Vielmehr spricht vieles dafür, dass das OLG gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen und damit willkürlich das Recht des Bf auf den gesetzlichen Richter verletzt hat. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt unter anderem dann vor, wenn sich eine Entscheidung bei der Auslegung und Anwendung einer Zuständigkeitsnorm so weit von dem sie beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen, also willkürlich ist. Diese Voraussetzungen dürften hier erfüllt sein. Der bisherige objektive Verfahrensablauf legt die Vermutung nahe, dass sich das OLG bei seiner Entscheidung von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, indem es die materielle Umgangsregelung des Amtsgerichts überprüft und damit die Regelungen der Zivilprozessordnung umgangen hat, wonach eine Beschwerde gegen einstweilige Umgangsregelungen nicht zulässig ist.

Außerdem dürfte das OLG die Vorgaben des EGMR wiederum nicht hinreichend beachtet und damit den Bf in seinem Recht aus Art. 6 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt haben. Der EGMR hat entschieden, dass der Bf durch den Umgangsrechtsausschluss in seinem Recht aus Art. 8 EMRK verletzt sei und dass ihm zumindest der Umgang mit seinem Kind gewährleistet werden muss. Nach dem aus Anlass dieser Entscheidung ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2004 erstreckt sich die Bindungswirkung einer Entscheidung des EGMR auf alle staatlichen Organe und verpflichtet diese grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ohne Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht einen fortdauernden Konventionsverstoß zu beenden sowie einen konventionsgemäßen Zustand herzustellen. Gerichte sind zur Berücksichtigung eines Urteils, das einen von ihnen bereits entschiedenen Fall betrifft, jedenfalls dann verpflichtet, wenn sie in verfahrensrechtlich zulässiger Weise erneut über den Gegenstand entscheiden und dem Urteil ohne materiellen Gesetzesverstoß Rechnung tragen können.
 

Diese Vorgaben hat das OLG ersichtlich abermals nicht beachtet. Insbesondere hat es sich nicht ansatzweise mit der Frage auseinander gesetzt, wie der Bf eine Familienzusammenführung überhaupt erreichen kann, wenn ihm der Aufbau jeglicher Kontakte mit seinem Kind versagt bleibt. Auch hat es sich nicht hinreichend mit den Erwägungen des EGMR befasst, wonach es dem Kindeswohl entspreche, die familiären Beziehungen aufrechtzuerhalten, da der Abbruch solcher Beziehungen die Trennung des Kindes von seinen Wurzeln bedeute, was nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen gerechtfertigt sei. Dass die vom OLG pauschal erwogene und mit keinen konkreten Tatsachen belegte Kindeswohlgefährdung durch die vom Amtsgericht angeordnete Anwesenheit einer geschulten Begleitperson gebannt werden kann, hat das OLG ebenso wenig in Betracht gezogen wie die Tatsache, dass der Umgang ohnehin nur für eine Dauer von zwei Stunden pro Woche vorgesehen ist.
 

Die Anordnung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet, dass die amtsgerichtliche Umgangsregelung für die Dauer der durch das Bundesverfassungsgericht erlassenen einstweiligen Anordnung Bestand hat und von daher - vorbehaltlich einer Änderung der Sachlage - solange einer gerichtlichen Überprüfung durch das OLG entzogen ist.
 

Beschluss vom 28. Dezember 2004 – 1 BvR 2790/04 –

Karlsruhe, den 29. Dezember 2004

http://www.marktplatz-recht.de/nachrichten/16849.html


Vater darf Kind doch noch sehen

VON CHRISTIAN RATH, 30.12.04, 07:01h

Karlsruhe - Wohl zum ersten Mal hat das Bundesverfassungsgericht einem Vater per einstweiliger Anordnung ein Umgangsrecht mit seinem Kind zugesprochen. Erfolg hatte der in Sachsen-Anhalt lebende Türke Kazim Görgülü, dessen Fall Karlsruhe schon mehrfach beschäftigt hat. Görgülü ist Vater eines heute fünfjährigen Sohns. Die deutsche Mutter trennte sich von ihm vor der Geburt des Kindes. Seither lebt der Junge bei einem Lehrer-Ehepaar, welches das Kind adoptieren möchte. Doch Görgülü will gemeinsam mit seiner neuen Partnerin selbst das Sorgerecht ausüben.

Weil ihm deutsche Gerichte nicht einmal ein Besuchsrecht einräumten, sprach ihm der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im letzten Februar Schadensersatz zu. Doch auch danach entschied das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg: Görgülü darf seinen Sohn nicht sehen. In der Folge kam es zum Streit, ob Vorgaben aus Straßburg für deutsche Gerichte verbindlich sind. Karlsruhe entschied in einem Grundsatz-Urteil im Oktober, dass EGMR-Urteile zumindest „zu berücksichtigen“ sind und wies den Konflikt nach Sachsen-Anhalt zurück.

Doch damit war der langwierige Prozess immer noch nicht zu Ende: Das Amtsgericht Wittenberg räumte Görgülü zwar das Recht ein, sein Kind jeden Samstag zwei Stunden lang zu sehen. Doch das OLG Naumburg hob den Beschluss wieder auf. Natürlich erhob Görgülü sofort eine erneute Verfassungsbeschwerde und hatte diesmal auch in der Sache Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht hob den Naumburger Beschluss auf und ordnete in einer Eilentscheidung an, dass der Vater sein Kind künftig samstags von 15 bis 17 Uhr treffen kann. Schon am kommenden Wochenende kann Görgülü sein Kind besuchen.

Die Karlsruher Rüge gegenüber dem OLG Naumburg fiel hart aus. Das Oberlandesgericht habe „willkürlich“ seine Kompetenzen überschritten, denn eigentlich war eine Überprüfung der Wittenberger Entscheidung gar nicht zulässig. Außerdem habe sich das Naumburger Gericht auch nicht richtig mit der EGMR-Rechtsprechung auseinander gesetzt. Danach entspreche es grundsätzlich dem Kindeswohl, wenn familiäre Bindungen aufrechterhalten bleiben.

Väterorganisationen klagen schon lange, uneheliche Väter würden in Deutschland von den Gerichten ausgebremst. Sie hätten kaum Chancen, ihr Besuchsrecht durchzusetzen, wenn sich Mütter oder Pflegeeltern quer stellen. Schon in mehreren Fällen wurde Deutschland deshalb in Straßburg verurteilt.
 

(KStA)
http://www.ksta.de/servlet/CachedContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1104321987947&openMenu=987490165154&calledPageId=987490165154&listid=994347600305


BVerfG gewährt Vater vorläufiges Umgangsrecht

Das BVerfG hat am 28.12.2004 eine einstweilige Anordnung erlassen, die einem Vater den Umgang mit seinem Kind bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ermöglicht. Damit hat es erneut eine Entscheidung des OLG Naumburg beanstandet, das ihm den Umgang mit seinem leiblichen Kind versagt hat.

Der Beschwerdeführer ist der Vater eines 1999 nicht ehelich geborenen Kindes. Die Kindesmutter gab das Kind einen Tag nach der Geburt zur Adoption frei und erklärte ihre Einwilligung zur Adoption durch die Pflegeeltern, bei denen das Kind seit seiner Geburt lebt. Seit Oktober 1999 bemüht sich der Beschwerdeführer in verschiedenen gerichtlichen Verfahren um die Übertragung des Sorgerechts und die Einräumung eines Umgangsrechts. Auf seine Individualbeschwerde erklärte eine Kammer der Dritten Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) mit Urteil vom 26.02.2004 einstimmig, dass die Sorgerechtsentscheidung und der Ausschluss des Umgangsrechts eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellten.

Dennoch versagte der 14. Senat des OLG Naumburg dem Vater die Wahrnehmung des Umgangs mit seinem Kind. Die entsprechende Entscheidung hob der Zweite Senat mit Beschl. v. 14.10.2004 (2 BvR 1481/04) auf und verwies die Sache an einen anderen Senat des OLG zurück. Dieser vertrat jedoch die Auffassung, nicht zu einer Sachentscheidung befugt zu sein. In der Folge hat das AG Wittenberg eine einstweilige Anordnung betreffend das Umgangsrecht getroffen und ihm das Recht eingeräumt, seinen Sohn an jedem Sonnabend in der Zeit von 15 bis 17 Uhr zu sehen.

Gegen diese Entscheidung haben sich wiederum das Jugendamt und die Verfahrenspflegerin des Kindes mit ihren sofortigen Beschwerden gewandt. Aufgrund dieser Beschwerden setzte der 14. Senat des OLG Naumburg zunächst mit Beschluss vom 08.12.2004 die Vollziehung der amtsgerichtlichen Entscheidung aus, hob diesen Beschluss aber am 20.12.2004 wieder auf. Mit einem weiteren Beschluss vom 20.12.2004 gab das OLG Naumburg dem Amtsgericht auf, das (Hauptsache-)Verfahren zum Umgangsrecht "mit äußerster Beschleunigung weiterzuführen und zum Abschluss zu bringen". Bis zu einer abschließenden Entscheidung des Amtsgerichts sei der Umgang des Beschwerdeführers mit seinem Kind "zwecks Meidung einer sonst drohenden Gefährdung des Kindeswohls" ausgeschlossen.

Nach Ansicht des BVerfG ist die Verfassungsbeschwerde nicht unzulässig und auch nicht offensichtlich unbegründet.
Vielmehr spricht vieles dafür, dass das OLG gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen und damit willkürlich das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter verletzt hat. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt unter anderem dann vor, wenn sich eine Entscheidung bei der Auslegung und Anwendung einer Zuständigkeitsnorm so weit von dem sie beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen, also willkürlich ist.

Diese Voraussetzungen dürften hier erfüllt sein. Der bisherige objektive Verfahrensablauf legt die Vermutung nahe, dass sich das OLG bei seiner Entscheidung von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, indem es die materielle Umgangsregelung des Amtsgerichts überprüft und damit die Regelungen der ZPO umgangen hat, wonach eine Beschwerde gegen einstweilige Umgangsregelungen nicht zulässig ist.

Außerdem dürfte das OLG die Vorgaben des EGMR wiederum nicht hinreichend beachtet und damit den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 6 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt haben. Der EGMR hat entschieden, dass der Vater durch den Umgangsrechtsausschluss in seinem Recht aus Art. 8 EMRK verletzt sei und dass ihm zumindest der Umgang mit seinem Kind gewährleistet werden muss. Nach dem aus Anlass dieser Entscheidung ergangenen Beschluss des BVerfG vom 14.10.2004 erstreckt sich die Bindungswirkung einer Entscheidung des EGMR auf alle staatlichen Organe und verpflichtet diese grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ohne Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht einen fortdauernden Konventionsverstoß zu beenden sowie einen konventionsgemäßen Zustand herzustellen. Gerichte sind zur Berücksichtigung eines Urteils, das einen von ihnen bereits entschiedenen Fall betrifft, jedenfalls dann verpflichtet, wenn sie in verfahrensrechtlich zulässiger Weise erneut über den Gegenstand entscheiden und dem Urteil ohne materiellen Gesetzesverstoß Rechnung tragen können.

Diese Vorgaben hat das OLG ersichtlich abermals nicht beachtet. Insbesondere hat es sich nicht ansatzweise mit der Frage auseinander gesetzt, wie der Vater eine Familienzusammenführung überhaupt erreichen kann, wenn ihm der Aufbau jeglicher Kontakte mit seinem Kind versagt bleibt. Auch hat es sich nicht hinreichend mit den Erwägungen des EGMR befasst, wonach es dem Kindeswohl entspreche, die familiären Beziehungen aufrechtzuerhalten, da der Abbruch solcher Beziehungen die Trennung des Kindes von seinen Wurzeln bedeute, was nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen gerechtfertigt sei. Dass die vom OLG pauschal erwogene und mit keinen konkreten Tatsachen belegte Kindeswohlgefährdung durch die vom Amtsgericht angeordnete Anwesenheit einer geschulten Begleitperson gebannt werden kann, hat das OLG ebenso wenig in Betracht gezogen wie die Tatsache, dass der Umgang ohnehin nur für eine Dauer von zwei Stunden pro Woche vorgesehen ist.

Die Anordnung des BVerfG bedeutet, dass die amtsgerichtliche Umgangsregelung für die Dauer der durch das BVerfG erlassenen einstweiligen Anordnung Bestand hat und von daher - vorbehaltlich einer Änderung der Sachlage – solange einer gerichtlichen Überprüfung durch das OLG entzogen ist.

BverfG, Beschl. v. 28.12.2004 - 1 BvR 2790/04

http://www.juris.de/jportal/Nachrichten/archiv/BVerfG+gew%E4hrt+Vater+vorl%E4ufiges+Umgangsrecht


"Ein sensationeller Erfolg - aber nur vor Gericht"

Krostitz. Eigentlich hätte Celestina Görgülü nach diesem Anruf erleichtert sein müssen. "Karlsruhe hat eurer Verfassungsbeschwerde stattgegeben", hörte die Krostitzerin ihre Rechtsanwältin Azime Zeycan jubeln. Doch die Ingenieurin reagierte gestern eher skeptisch auf die jüngste Entwicklung im Sorgerechtsstreit ihres türkischen Ehemannes Kazim Görgülü um seinen fünfjährigen Sohn. "Oh ja, es ist ein sensationeller Erfolg", sagte sie den DNN, "aber nur vor Gericht. Das hat meinem Mann jetzt schon zum fünften Mal seit März sein Umgangsrecht mit Christofer bescheinigt. Ob er ihn aber, wie angeordnet, am 8. Januar wirklich sieht, steht auf einem anderen Blatt."

Für Zweifel hat die Frau viele Gründe. Zum einen weilt Kazim Görgülü derzeit bei seiner schwerkranken Mutter im türkischen Bingöl und muss nun seinen Rückflug vorverlegen. Stärker bedrückt sie die Furcht vor einem erneuten Boykott des Treffens durch das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg, das Jugendamt Wittenberg oder die Pflegeeltern des Jungen. "Die haben sogar die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zugunsten des Vater ignoriert", meint Celestina Görgülü bitter. Die Verfügungen, Erlasse und Urteile im Tauziehen um den Jungen füllen acht dicke Aktenordner!
 

Der Chef einer Baufirma in Krostitz kämpft seit 1999 um seinen Sohn aus einer früheren nichtehelichen Beziehung. Christofers Mutter hatte das Kind gleich nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Doch statt es dem leiblichen Vater anzuvertrauen, brachte das Jugendamt das Baby bei Pflegeeltern im Kreis Wittenberg unter. Kazim Görgülü wurde selbst das Umgangsrecht verweigert.
 

Als vor wenigen Tagen eine vom Amtsgericht Wittenberg erlassene einstweilige Anordnung für ein wöchentliches Besuchsrecht des Vaters vom Naumburger OLG wieder kassiert wurde, legte Görgülüs Anwältin am Heiligabend Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein. Nur zwei (!) Arbeitstage später entschied das höchste Gericht Deutschlands zugunsten des Krostitzers, verbunden mit ungewöhnlich scharfer Kritik an der "Willkür" der Naumburger Juristen. "Ein derart schnelles Urteil hat es zuvor noch nie gegeben", sagt Celestina Görgülü. "Aber was nützen uns juristische Rekorde, wenn das Jugendamt weiterhin nicht akzeptiert, dass ein Kind zu seinem leiblichen Vater gehört?"

http://www.dnn-online.de/dnn-heute/50841.html