Schwarzwälder Bote
Mittwoch, 16. Januar 2002

Vor der Trennung fliegen die Tassen

Handgreiflichkeiten nicht selten / Geschiedene Väter fühlen sich unfair behandelt

Kassel (ap). Bei Paaren, die kurz vor der Trennung stehen, sind Handgreiflichkeiten offenbar weit verbreitet. Dies ist ein
Zwischenergebnis einer Studie zur Lebenssituation von geschiedenen Vätern.

Diese Studie hat der Bremer Soziologe Gerhard Amendt in Kassel vorgestellt. Von 300 anonym befragten Männern hätten 100 angegeben,
dass es kurz vor ihrer Trennung zu Handgreiflichkeiten gekommen sei. Dazu zählten auch Schläge, sagte Amendt vom Institut für Geschlechter-
und Generationenforschung an der Universität Bremen.

In knapp jedem vierten Fall seien die Handgreiflichleiten von Männern und zu 58 Prozent sogar von Frauen ausgegangen. In 14 Prozent der
Fälle gingen die Handgreiflichkeiten von beiden aus. "Das Ergebnis hat uns sehr überrascht", sagte Amendt. Viele Männer fühlten sich nach
solchen Auseinandersetzungen gedemütigt. Ihnen werde oft - beispielsweise vor Gericht - nicht geglaubt, dass sie geschlagen worden seien.

Im Frageboden sei absichtlich nicht nach Gewalt sondern nur nach Handgreiflichkeiten gefragt worden, weil sonst die Männer aus Scham nicht
zugegeben hätten, Opfer von Gewalt durch Frauen gewesen zu sein. Auch wenn die Zahlen auf Angaben der Männer beruhten, seien sie nicht
weniger galubwürdig als wenn Frauen über Misshandlungen von Männern sprächen. "Es geht darum, dass man versteht, was zwischen den
Paaren läuft", sagte Amendt. Nur mit diesem Wissen können Therapeuten Paaren helfen.

In der bis zum Jahre 2003 laufenden Väterstudie wird auch danach gefragt, warum viele Männer sich nach der Trennung von ihren Kindern
zurückziehen. Bislang wurden 2000 Väter befragt. "Viele Väter geben an, dass sie sich unfair behandelt fühlten", sagte Amendt. Insbesondere
treffe dies zu, wenn ihnen der Zugang zu den Kindern verwehrt werde. Die meisten Scheidungsväter wollten ihre Kinder nicht aufgeben. Sie
scheinen jedoch nicht in der Lage zu sein, für die Beziehung zu ihren Kindern zu kämpfen. Viele Väter reagierten fatalistisch und depressiv.
Warum, sei noch unklar.

Es sei am besten, wenn ein gemeinsames Sorgerecht praktiziert werde. Dies habe eine Studie an der Fachhochschule Nürnberg ergeben.
Danach seien nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern viel zufriedener. Allein Erziehende mit alleiniger Sorge für das Kind hätten dagegen
die Tendenz, negativer über den anderen Elternteil zu reden und das Kind nicht zum Besuch zum Vater oder Mutter zu lassen. Kinder würden so
vor große Konflikte gestellt, weil sie die Eltern stets zusammengehörig sehen wollten.

www.vaeterstudie.de