Stein-Hilbers, Männer und Kinder
FuR 4/91

Männer und Kinder

Reale, ideologische und rechtliche Umstrukturierungen von
Geschlechter- und Elternbeziehungen*

Dr. Marlene Stein-Hilbers

I. > Neue Männer«

In vielen westlichen Industrieländern ist derzeit ein gesteigertes Interesse von Männern an den emotionalen Erfahrungen eines Lebens mit Kindern zu beobachten. Dies manifestiert sich in Umfrageergebnissen ebenso wie in den Erscheinungsformen einer >neuen Väterlichkeit<.

Wissenschaftliche Veröffentlichungen konstatieren in den letzten Jahren ein geschlechtsspezifisches Gefälle des Kinderwunsches: Männer wünschen sich mehr, Frauen weniger Kinder (Beck-Gerttsheim 1984, S.13*). Mehr Männer als Frauen sprechen sich für eine Heirat aus (Geschlechtsroller im Wandel, 1988). Immer mehr Väter äußern den Wunsch nach mehr und intensiverem Kontakt zu Kindern (MAGS Bad.-Württ. 1983). Anders als noch vor wenigen Jahrzehnten gehören ihre Kinder versorgende Väter zur Alltagserfahrung des privaten und veröffentlichten Bildes von Familie; alleinerziehende Männer gelten als Prototyp eines neuen Vater-Kind-Verhältnisses. Begleitet sind diese Phänomene durch eine Flut von belletristischen und publizistischen Thematisierungen und einem neuen Markt von Büchern und Ratgebern für Väter. Zahlreiche Veröffentlichungen über >neue Väter< thematisieren insbesondere die durch Kinder vermittelten neuen Gefühle und Glückserfahrungen, häufig mit der positiven Ermutigung anderer Männer, ähnliche Erfahrungen zu machen.

Auch in der wissenschaftlichen Literatur läßt sich - in der Bundesrepublik Deutschland wie auch international - eine allgemeine Renaissance des >Vater<-Themas feststellen. Empiriche Untersuchungen und auch populärwissenschaftliche - öffentlichungen beschäftigen sich mit der Frage eines schon veränderten oder im Umbruch befindlichen Denkens und Verhaltens von Männern (PostlerlSchreiber 1985; Hollsteir 1988).

Im Zuge der Individualisierungsdynamik moderner Gesellschaften scheint Elternschaft für Männer neue soziale und persönliche Bedeutung zu erfahren. (Eigene) Kinder werden zum Medium der Suche nach Lebenssinn und persönlicher Entfaltung.

II. Weiterbestehende traditionelle Strukturen innerfamilialer Arbeitsteilung

Nur zögernd geht ein wachsendes männliches Interesse am Zusammenleben mit Kindern einher mit realen Versuchen (und Möglichkeiten) von Vätern, sich paritätisch an der alltäglichen Betreuung und Versorgung von Kindern zu beteiligen. Zwar signalisieren erfragte Einstellungen - insbesondere bei jüngeren und gut ausgebildeten Befragten einen deutlichen Trend zur Veränderung innerfamilialer Arbeitsteilungen. Dies findet aber bisher nur wenig Entsprechung im tatsächlichen Verhalten von Männern - Norm und Verhalten klaffen weit auseinander (Geschlechtsroller im Wandel 1988). Zeitvergleichs-Analysen. weisen nach, daß trotz veränderter - verbal geäußerter - Einstellungen auch dann, wenn , :e (Ehe)Frauen erwerbstätig sind, die traditionellen Strukturen der innerfamilialen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung kaum aufgebrochen werden (NaveHerz 1985). Die Realisierung einer sog. >partnerschaftlichen< - d. h. hälftigen - Teilung der familialen Arbeit für Kinder scheint allenfalls zwei bis fünf Prozent aller Eltern zu gelingen (BuschlHess-DiebäckerlStein-Hilbers 1988).

Faßt man die Befunde zu den in den letzten Jahren in den Medien und der wissenschaftlichen Literatur herausgestellten >neuen Vätern< zusammen, so zeigt sich, daß eine tiefgreifende Veränderung der alltäglichen Zuständigkeit für Kinder nicht eingetreten ist. Insofern ist Hoff (1986) zuzustimmen, der die >neuen Väter< - im Sinne einer tatsächlichen Verantwortung für Kinder - vor allem für ein Medienereignis hält. Ihre, realen Aktivitäten sind vorwiegend auf Geburtsvorbereitung und die mithelfende Pflege von Säuglingen sowie spielerische, kreative und erholungsstiftende Aktivitäten mit älteren Kindern gerichtet (Fthenakis 1985, Rerrich 1988). Nach wie vor sehen sich Frauen mit Problemen der Zeitbindung durch Kinder konfrontiert und mit der Notwendigkeit, Anforderungen der Erwerbsarbeit mit den Bedürfnissen eines Alltags mit KinJe: a in Einklang zu bringen. Die Stabilität geschlechtsspezifischer Hierarchisierungen des Beschäftigungssystems muß mit eben dieser ungleich verteilten Zeitbindung durch Kinder in Verbindung gebracht werden.

III. Werden Männer aus den Familien verdrängt?

Dem gestiegenen Interesse von Männern an den emotionalen Erfahrungen eines Lebens mit Kindern stehen zunehmend die Folgen eines derzeit zu beobachtenden Strukturwandels von Familie entgegen, durch den Väter immer stärker aus dem familialen Zusammenleben mit (eigenen) Kindern herausfallen.

Ein tiefgreifender Wandel von Liebes-, Lebens- und ehelichen Beziehungen, sinkende Heiratsziffern, hohe Scheidungsraten sowie die Ausbreitung der Lebensform Ein-Eltern-Familie scheint lebensgeschichtliche Kontinuitäten zunehmend in Frage zu stellen.

* Der Beitrag wurde vor der Entscheidung des BVerfG zu § 1738 Abs. 1 BGB verfaßt; Argumentation und Aussage hätten sich ohnehin nicht anders dargestellt.

** Am Ende des Beitrages befinden sich die ausführlichen Literaturangaben.

Auch wenn das familiale Zusammenleben die hauptsächlich angestrebte Lebensform bleibt, verliert das Modell der lebenslangen Kernfamilie dennoch - real und symbolisch - an Bedeutung. Eine Abfolge von Partnerschaften und der lebensphasenspezifische Wandel von Alleine-Leben, familialem oder gemeinschaftlichem Zusammenleben mit anderen charakterisieren zunehmend die familiale >Normalität< auch der Bundesrepublik Deutschland.

Mit diesen sich wandelnden Familienstrukturen und der sukzessiven Abfolge familialer und familienähnlicher Lebensformen sind weitgehende Umstrukturierungen von Elternschaft verbunden. Beziehungen zwischen Vätern und Kindern sind davon in besonderer Weise betroffen.

Trotz wechselnder Liebes- oder Ehepartner bleibt die enge Zuordnung von Frauen und Kindern nahezu ungebrochen bestehen: Kinder leben überwiegend und kontinuierlich mit ihren Müttern zusammen. Sofern ihre Kinder nichtehelich geboren wurden - in großstädtischen Ballungsgebieten etwa jedes vierte Kind -, sind Frauen alleine sorgeberechtigt. Nach einer Trennung oder Scheidung leben kleine Kinder zu über 97 Prozent bei ihren Müttern, erst bei jugendlichen Kindern steigt der Anteil sorgeberechtiger Väter stärker an. Noch immer ist der Lebensalltag alleinerziehender Frauen mühsam, und viele von ihnen leben an der Armutsgrenze. Dennoch verändern sich auch ihre Lebensperspektiven und allgemein die Erwartungen von Frauen an eine sozial und ökonomisch eigenständige Lebensgestaltung. Dies geht einher mit einer deutlich verbesserten Rechtsposition von Frauen in nahezu allen Rechtssystemen moderner Gesellschaften, die sich auch im Familienrecht niederschlägt. Während Kinder über Jahrtausende und noch in diesem Jahrhundert ihren Vätern >gehörten<, können (verwitwete, geschiedene und ledige) Mütter im deutschen Recht seit einigen Jahrzehnten ein alleiniges Sorgerecht für Kinder beantragen.

Im Unterschied zu Frauen sind Männer zunehmend - wenn überhaupt - nur noch kurzfristig am familialen Zusammenleben mit (eigenen) Kindern beteiligt. Immer häufiger sehen sie sich auf die Funktionen eines bloßen Erzeugers, Zahlvaters, zeitweiligen Vaters, eines Besuchs- oder eines Stiefvaters verwiesen.

Jüngere und gut ausgebildete Frauen haben in den letzten Jahren zum Teil bewußt darauf verzichtet, überhaupt noch mit den Vätern ihrer Kinder zusammenzuleben. Nach Trennungen oder Scheidungen der Eltern wohnen Väter überwiegend nicht mehr mit ihren Kindern zusammen und treten für sie noch stärker in den Hintergrund als dies im familialen Zusammenleben der Fall war. Bundesdeutsche (Napp-Peters 1985) ebenso wie britische und amerikanische Untersuchungen (Lund 1987) zeigen, daß etwa 40-60 Prozent aller geschiedenen Väter von sich aus nach der Scheidung den Kontakt zu Kindern stark einschränken. Rund die Hälfte der Väter hatte ihre Kinder in den letzten zwölf Monaten gar nicht gesehen (Furstenberg 1988). Gründe dafür waren starke elterliche Konflikte, Wünsche nach Auflösung alter Bindungen, ein Umzug oder auch eine neue Partnerschaft bzw. eine Wiederverheiratung und die Geburt weiterer Kinder.

Für Kinder hat die Umstrukturierung von Familien zur Folge, daß sie sich im Laufe ihres Lebens in einer Vielzahl von Beziehungskonstellationen zurechtfinden müssen. Untersuchungen an 6-13jährigen Kindern in Berliner Grundschulen zeigten, daß nur noch 48 Prozent der untersuchten SchülerInnen mit beiden leiblichen Eltern zusammenlebten (Krappmann 1988). Fast die Hälfte aller amerikanischen Kinder verbringt zumindest einen Teil ihrer Kindheit und Jugend in Ein-Eltern-Familien (Furstenberg 1988). Weil Eltern sich in relativ jungem Alter trennen und neue Partnerschaften eingehen, ist eine stetige Zunahme von Stieffamilien aller Art zu beobachten (VisherlVisher 1987). In vielen Familien leben Kinder unterschiedlicher Väter zusammen. Nach Furstenberg (1988, S.78f.) scheinen heutige Kinder zunehmend in der Lage zu sein, multiple Mutter- und Vaterschaften anzuerkennen (auch wenn dies oftmals mit Konflikten und Lebenskrisen verbunden ist).

IV. Die (Re-)Formulierung väterlicher Ansprüche

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß wachsende männliche Bedürfnisse nach emotionaler Nähe zu Kindern derzeit mit den Auswirkungen eines Strukturwandels familialer Lebensformen kollidieren. Tatsächlich wird es für Männer immer schwerer möglich, langfristig mit eigenen Kindern zusammenzuleben; biologische Vaterschaft und ein familialer Alltag mit Kindern koppeln sich voneinander ab. Dies hat wesentlich damit zu tun, daß traditionelle innerfamiliale Arbeitsteilungen kaum aufgebrochen wurden; nach wie vor sind in erster Linie Frauen für Kinder zuständig. Gleichzeitig lassen sich Frauen immer weniger auf die Zwänge - oder auch Freiräume - einer lebenslangen Versorgung durch (Ehe-)Männer verpflichten.

Es scheint, als ob in dieser historischen Umbruchsituation die Bedeutung des biologischen Vaters reaktiviert wird. In sozialwissenschaftlichen Diskursen ebenso wie im juristischen Schrifttum und in der neueren Rechtsprechung, in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen und Medienproduktionen ebenso wie in den Aktivitäten einer Männerbewegung läßt sich derzeit eine gesteigerte Auseinandersetzung mit der hohen Bedeutung von (biologischen) Vater-Kind-Beziehungen beobachten.

Dies geschieht zum einen mit Blick auf die Situation von Kindern, die sich in ihrer Biographie real mit wechselnden Vätern arrangieren müssen, denen aber das Recht auf eine Grundbeziehung zum (biologischen) Vater garantiert werden soll. Zum anderen machen Männer verstärkt ihre Ansprüche auf Kinder (wieder) geltend. Mehr oder minder offen verbinden sich mit den Diskursen über die Bedeutung der (biologischen) Vater-Kind-Beziehung auch Forderungen nach verstärkten väterlichen Rechten - ohne gleichzeitige Forderungen nach verstärkten väterlichen Pflichten. Insofern haben diese Vater-Kind-Diskurse hohe legitimatorische Bedeutung in Prozessen öffentlicher Meinungs- und Ideologiebildung und daraus resultierenden rechtlichen Umstrukturierungen.

Im folgenden soll dies für einige Themenbereiche nachvollzogen werden.

V. Das soziale Konfliktfeld Scheidung

Die problematischen Folgen einer Trennung oder Scheidung für Eltern und Kinder sind bekannt und sollen an dieser Stelle nicht ausführlich behandelt werden. Trennungen und Scheidungen sind in der Regel begleitet von heftigen Verlustängsten, langanhaltenden Streitigkeiten, Trauer und Wut. Sie sind für Frauen, Männer und insbesondere für Kinder mit Erschütterungen des Selbstkonzepts, der Lebensgestaltung und schwersten Lebenskrisen verbunden. Fast immer wünschen sich Kinder trotz massivster Konflikte, daß ihre Eltern zusammenbleiben oder wieder zueinanderfinden.

Trennungen, Scheidungen und die Auflösung des gemeinsamen Familienhaushaltes stellen das soziale Konfliktfeld dar, in dem elterliche Gefühle eines subjektiven Rechts am Kind am stärksten formuliert und aktualisiert werden. Dies geschieht mehr oder weniger offen - als direkte Interessenartikulation der Eltern -, besonders häufig aber auch verdeckt, als elterliche, juristische, sachverständige oder psychologische Interpretation kindlicher Bedürfnisse und Interessen. Je jünger die betroffenen Kinder sind, desto größer wird der Spielraum für solche interpretativen Zuschreibungsprozesse.

Zu Beginn eines Scheidungsverfahrens streiten sich etwa ein Drittel aller Eltern um die Kinder, mit zunehmender rechtlicher Formalisierung des Verfahrens verringert sich dieser Anteil auf etwa 10 Prozent.

Für die hier angesprochenen Fragen einer kulturellen Umdeutung von Vater-Kind-Beziehungen ist bedeutsam, daß immer mehr Väter im Falle einer Scheidung das alleinige Sorgerecht für ihre Kinder beantragen. Vorwiegend handelt es sich um gut qualifizierte Männer mit hohem Berufsstatus (Chessler 1986). Zunehmend berufen sie sich auf die Rechtsposition >Gleichberechtigung< im Verhältnis zu Kindern und fordern die Gleichbehandlung mit Müttern in der familiengerichtlichen Rechtsanwendung. Weil ihre Gleichstellungsforderungen aber nicht durch eine entsprechende vorherige Beteiligung an der Versorgung und Betreuung von Kindern und somit eine soziale Realität gedeckt sind, sind ihre Bemühungen bislang von begrenztem Erfolg gekrönt.

In den heftig geführten juristisch-psychologischen Debatten um Sorgerechts-Regelungen zeichnen sich nunmehr einige bemerkenswerte Entwicklungen ab.

Seitdem die tatsächlichen Bindungen des Kindes an einen Elternteil sich immer mehr als ausschlaggebendes sorgerechtsrelevantes Kriterium herauskristallisieren, etabliert sich offensichtlich stärker eine Forschungsrichtung, die einerseits enge Bindungen zwischen Vätern und Kindern herausstellt und andererseits einen engen Zusammenhang von primärer Zuständigkeit für die Kinderbetreuung mit dem Entstehen einer engen Bindung verneint. Die Bedeutung der sogenannten Hauptbezugsperson - in der Regel also der Mutter - wird im Hinblick auf eine zukünftige Sorgerechtsregelung zunehmend in Frage gestellt (Rabaa 1985, m.w.N.; Lempp 1984, Fthenakis 1985). Für Sorgerechts-Ansprüche von Frauen könnte dies weitreichende Konsequenzen haben.

In etwa der Hälfte aller Scheidungsfälle zeigt sich, daß der Kontakt zwischen Kindern und Vätern ganz ausbleibt oder sich stark verringert. Eine genauere Analyse dieser Kontaktabbrüche läßt erkennen, daß weiterbestehende elterliche Konflikte (um Unterhaltszahlungen, Vermögensregelungen, enttäuschte Gefühle und neue Partnerschaften) im Vordergrund stehen und Kinder offen oder verhüllt mit Drohungen, Verwöhnungen und anderen Beeinflussungen von beiden Eltern im nachehelichen Kampf instrumentalisiert werden (Arntzea 1980). Der Wunsch nach Auflösung alter Bindungen, die Überwindung des Trennungsschmerzes, ein Umzug, eine neue Partnerschaft und die Geburt weiterer Kinder sind für viele Väter Anlaß für reduzierte, oder abgebrochene Kontakte (Lund 1987, Furstenberg u. a. 1987). Auch Mütter richten oftmals all ihre Energien auf die Konsolidierung einer neuen Kernfamilie (Napp-Peters 1988, S. 36) und versuchen, die früheren Ehepartner daraus fernzuhalten.

Kinder leiden unter diesen Verhältnissen und sehnen sich nach dein Elternteil, der die Familie verlassen hat. Untersuchungen betonen deshalb immer wieder die Notwendigkeit, scheidungswillige Eltern auf ihre weiterhin bestehende Elternschaft hinzuweisen und ihnen jede rechtliche und psychologische Unterstützung für eine am Kindeswohl orientierte Kooperation zu vermitteln. Die in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren vielerorts entstandenen Scheidungs-Beratungsstellen (ebenso wie die familiengerichtlichen Instanzen selber) haben damit begonnen, Eltern in dieser Hinsicht zu beraten und zu unterstützen.

Interessant ist, daß in einer Vielzahl von Publikationen zu diesem Themenbereich die Komplexität der hier angeschnittenen Probleme auf eine einzige rechtliche Fragestellung verengt wird: auf das Rechtsinstitut der gemeinsamen elterlichen Sorge nach der Scheidung. Vermehrt wird die Einführung des nachehelich gemeinsamen Sorgerechts als Regelfall gefordert (Dopt 1987, m. w. N.).

Die Vorteile eines gemeinsamen Sorgerechts liegen auf der Hand (Limbach 1988): Beide Eltern sind im Verhältnis zum Kind gleichberechtigt, beide haben die Möglichkeit des Kontaktes zum Kind, das Kind hat in rechtlicher Hinsicht ungehindert Zugang zu beiden Eltern, auch wenn es in der Praxis meistens bei einem Elternteil wohnt, auch Väter werden stärker auf ihre tatsächliche Verantwortung gegenüber Kindern verpflichtet (Stein-Hilbers 1989, m. w. N.). Das gemeinsame Sorgerecht stellt jedoch hohe Anforderungen an die Einigungsbereitschaft und -fähigkeit geschiedener Eltern. Es bedarf anscheinend spezifischer sozioökonomischer Voraussetzungen und spezifischer Eltern-Persönlichkeiten: eine annähernd gleichwertige Schul- und Berufsausbildung, ähnliche Erziehungsstile, eine annähernd gleiche ökonomische Situation beider Eltern (Steinman 1981). Es gestaltet sich dann besonders problemlos, wenn beide Eltern schon vor der Scheidung gleichmäßig für die Kinder zuständig waren (Steinman 1981, Steinman u. a. 1985, BuschlHess-Dieüäckerl Stein-Hilbers 1988).

Nicht von ungefähr wird deshalb ein gemeinsames Sorgerecht nur von wenigen scheidungswilligen Eltern (etwa 2-5 Prozent) beantragt und fast ausschließlich von Eltern mit einem Kind, Berufstätigkeit und hoher Berufsqualifikation der Mütter (Magnus1Dietrich 1986). Von eben dieser Personengruppe wurde die Möglichkeit eines gemeinsamen Sorgerechts auch erstritten (Limbach 1988). Dem liegt zugrunde, daß sich von familiären Beziehungskonstellationen auf der Grundlage von Neigung, ökonomischer Unabhängigkeit und sozialer Ebenbürtigkeit auch im Konfliktfall andere Lösungsmuster erwarten lassen als von jenen, die auf Unterordnung und ökonomisch-sozialer Ungleichheit beruhen.

Mit einer Verallgemeinerung des nachehelichen gemeinsamen Sorgerechts als Regelfall wäre eine unangemessene Ausweitung väterlicher Macht- und Rechtspositionen verbunden, die bislang nicht im geringsten mit einer Übernahme väterlicher Pflichten für Kinder korreliert (Luthin 1987, S. 52, m. w. N., Stein-Hilbers 1989). Das ohnehin bestehende (nacheheliche) Machtgefälle zwischen Männern und Frauen würde verstärkt. Vätern würde damit eine durch soziale Tatsachen nicht zu rechtfertigende Einflußmöglichkeit auf die Lebensgestaltung der mit dem Kind zusammenlebenden Mütter eröffnet; Sorgerechte für Kinder waren und sind immer auch ein Machtinstrument über den anderen Elternteil - ob man dies nun wahrhaben will oder nicht. »Bei Aufenthaltswechsel, beim Umzug, bei Einschulung und Umschulung, bei Kindergarten- und Hortanmeldung, bei Krankenhausbehandlung ist die Übereinkunft der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern ebenso erforderlich wie bei den anscheinend privaten Regelungen« (Bahr-Jendges 1986, S. 171). In Extremfällen kann dies zur absurden Berücksichtigung von Vielfach-Interessen führen: Wenn z. B. Frauen mit Kindern unterschiedlicher Väter zusammenleben - eine heute nicht mehr ungewöhnliche Lebensform - hätten gleich mehrere Väter über das Institut der gemeinsamen elterlichen Sorge Einflußmöglichkeiten auf ihr Leben.

Primäre Sorgerechte für Kinder sollten aus diesen Gründen bei dem Elternteil verbleiben, der mit dem Kind zusammenlebt. Nur auf ausdrücklichen Wunsch sollte eine Ausweitung auf beide Eltern erfolgen.

VI. Wieviel Vater braucht ein Kind?

In den Sozialwissenschaften tritt das Vater-Thema in den letzten Jahren (wieder) stark in den Vordergrund. Die väterliche Bedeutung für die Sozialisation des Kindes und seine Stellung im familialen System erfahren - auch international zunehmendes wissenschaftliches Interesse (Lainb 1981, Nave-Herz 1985, m.w.N., Fthenakis 1985, m.w.N., Knijnl Mulder 1986, LewislO'Brien 1987, m.w.N., NickellEhlert 1988).

Es scheint, als ob sich in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Vater-Kind-Verhältnis vielfach jene Ideologisierungen wiederholen, die die Forschungsarbeiten zur Mutter-Kind-Dyade über Jahrzehnte geprägt haben. Viele neuere erziehungswissenschaftliche und psychologische Publikationen lassen den Eindruck entstehen, es sei für ein Kind im Grunde eher schädlich, in einer Ein-Eltern-Familie aufzuwachsen. Zudem sei der Vater - gemeint ist dabei der >eigentliche< (der leibliche) Vater - für ein Kind unersetzlich und nicht austauschbar.

Sichtbar wird dies vor allem in den zahlreichen Studien zu den Auswirkungen einer zeitweiligen oder völligen Vaterabwesenheit auf Kinder. Sie sind stets als >Deprivations<-Forschung ausgestaltet und stellen die Schädlichkeit einer reduzierten oder fehlenden Vaterbeziehung im Hinblick auf die kognitive, moralische, emotionale und psychosexuelle Entwicklung von Kindern - insbesondere von Jungen - in den Mittelpunkt (vgl. dazu insbesondere den Literaturbericht von Fthenakis 1985, Bd.I). Originalarbeiten ebenso wie Sekundäranalysen dieser Studien verfahren stets nach dem Grundsatz >Je weniger Vater, desto schädlicher die Auswirkungen auf Kinder!< Empirische Befunde werden vor dieser Folie geordnet und interpretiert. Positive Auswirkungen, die ja berechtigterweise auch vermutet werden könnten - z. B. die Hoffnung darauf, daß Jungen ein weniger maskulines Selbstkonzept und damit auch weniger sozialschädliche Verhaltensweisen ausbilden oder daß Kinder ohne Väter weniger Gefahr laufen, Opfer sexueller (und anderer) Gewalterfahrungen zu werden - werden nicht thematisiert. Wie stark die Bedeutung des >eigentlichen< Vaters ideologisch überhöht wird, wird u. a. an Fthenakis' Ausführungen (1985, S.239f.) zu den sog. >Vatersurrogaten< - also z.B. Stiefväter, Pflegeväter u. ä. - deutlich, die die negativen Effekte der Abwesenheit des >eigentlichen< Vaters wohl abmildern, gleichwohl niemals aufheben können.

Mit der starken Betonung der väterlichen Bedeutung für Kinder wird indirekt die traditionelle Stigmatisierung der meistens aus Frauen und Kindern bestehenden Ein-Eltern-Familien weiter befördert (Nieslony 1989).

Auch läßt sich die zwingende Notwendigkeit der Präsenz eines heterosexuellen Elternpaares für die psychosexuelle Entwicklung von Kindern (Jungen) nicht belegen. In kulturell reproduzierten System der Zweigeschlechtlichkeit (Hagemann-White 1985) lernen Mädchen und Jungen auch ohne alltäglichen Kontakt zu einem konkreten Vater (oder einer konkreten Mutter) sehr wohl, was es bedeutet, eine Frau oder ein Mann zu sein - mit allen unangenehmen oder begrüßenswerten Begleiterscheinungen. Wie alleinerziehende Mütter bestätigen, gibt es bislang (leider) keine Hinweise darauf, daß die Vaterabwesenheit ein weniger >männliches< Verhalten von Söhnen fördert.

Interessant ist, daß der Gedanke der Notwendigkeit, ja Unentbehrlichkeit eines gleich- und gegengeschlechtlichen Elternteils für Kinder zu einer Zeit in den Vordergrund gestellt wird, zu dem die Frauen und Männer als wesenhaft zugeschriebenen Geschlechtscharaktere ihre Überzeugungskraft verlieren. Was eigentlich >männliches< oder >weibliches< Verhalten seinem Innersten nach ist, läßt sich kaum noch genau bestimmen. In den Dimensionen von Berufsarbeit und Kinderbetreuung wird dies um so schwieriger, als immer mehr Frauen in Ausbildung, Erwerbsarbeit oder politischer Repräsentation Verhaltensweisen zeigen, die bislang als >typisch männlich< galten. Zudem kann niemand mehr bestreiten, daß auch Männer - ebenso wie Frauen - Kinder liebevoll und in jeder Hinsicht zureichend ver- und umsorgen können. Wenn also sowohl Frauen als auch Männer in ihrer Person als >weiblich< ebenso wie als >männlich< deklarierte Verhaltensweisen vereinigen und dies ihren Kindern auch vorleben können, erscheint die Notwendigkeit einer faktischen und psychologischen Präsenz des gleich- oder gegengeschlechtlichen Elternteils gering.

Hier soll nicht geleugnet werden, daß es für ein Kind wichtig und richtig ist, in kontinuierlichen sozialen Bezügen zu leben und daß dabei seinen Beziehungen zu beiden Eltern hohe Bedeutung zukommen kann. Genetische Abstammung und Geschlecht der Eltern sind aber nur mittelbar bedeutsam für den Kontext, in dem sich soziale Beziehungen ausbilden. Ebenso wie biologische Elternschaft gegenüber psychosozialer Elternschaft nicht als höherrangig bewertet werden kann, ist ein Geschlecht nicht qua Natur besser oder schlechter zur Elternschaft geeignet oder gar unersetzlich für ein Kind.

Die derzeitige Überbetonung der väterlichen Bedeutung für Kinder kann deshalb nur zum Teil mit veränderten Realverhältnissen erklärt werden. Sie muß - auch - als Reaktion auf einen tatsächlichen väterlichen Bedeutungsverlust in der Biographie von Kindern interpretiert und mit männlichen Ansprüchen auf Kinder in Verbindung gebracht werden In den >Väter<-Büchern von Fthenakis (1985) wird dies durch die Forderung nach neuen Rechtspositionen für Männer immer wieder deutlich (Hess-DiebäckerlStein-Hilbers 1986).

VII. Väterliche Ansprüche auf leibliche Kinder

In vielen europäischen Ländern und in den USA betonen derzeit Vertreter einer father's rights movement ihre Ansprüche auf Mitspracherechte bei Schwangerschaftsabbrüchen, Sorgerechten, Zugang zu Kindern und die Verpflichtung von Müttern, ihren Kindern den Umgang mit dem biologischen Vater zu sichern.

In der Bundesrepublik Deutschland manifestiert sich dies zum einen in einer neuartigen Form von Vaterschaftsfeststellungs-Klagen. Immer häufiger müssen sich seit einigen Jahren Gerichte mit Anträgen genetischer Väter auf justizielle Feststellung ihrer biologischen Vaterschaft befassen. Dies geschieht zum Teil gegen die ausdrücklichen Wünsche der Mutter, ihres Ehemannes oder eines Scheinvaters, die Kläger berufen sich dabei auf ihr Persönlichkeitsrecht, das auch ein Vaterschaftsrecht und das Recht auf Bezeugung der Vaterschaft umfasse (Frank 1988, S.114, m. w.N.).

Verschiedene bundesrepublikanische Väter-Initiativen proklamieren verstärkt ihre Ansprüche auf Zugang zu und Umgang mit ihren leiblichen Kindern. Sie formulieren diese Ansprüche zum einen für Kinder, mit denen sie zusammengelebt haben, zunehmend aber auch für von ihnen lediglich gezeugte Kinder.

Im Vordergrund ihrer Argumentation stehen eigene Bedürfnisse und Interessen, insbesondere aber auch die (hypostasierten) Interessen und Rechte von Kindern auf Kontakt zum leiblichen Vater. So beklagt Jopt (1987, S. 5) die Uneinsichtigkeit (vieler Mütter) gegenüber der »zwingend gebotenen Herstellung bzw. Aufrechterhaltung einer Vater-Kind-Beziehung« und fordert in seiner Stellungnahme zum 3. Familienbericht der Landesregierung NRW. »Da, wo sein leiblicher Vater auch Vater sein will - dies allerdings ist unverzichtbare, aber auch prüfbare (!) Voraussetzung- müßte ihm regelmäßig von früh an dieser Kontakt zu seinem Kind auch ermöglicht werden. Denn einen in seinem Verantwortungsgefühl berechenbaren und in seiner Liebe zuverlässigeren Menschen als den wirklichen und dies auch sein wollenden Vater kann es unter allen weiteren Männern kaum geben.« (S.14) Abgesehen davon, daß (empirisch überprüfbare!) Erfahrungen dieser Aussage widersprechen, erscheint bemerkenswert, wie sehr hier Gefühl und natürliche Blutsbande verknüpft werden und der Gedanke eines biologisch begründeten väterlichen Anspruchs (re-)formuliert wird.

Gefragt werden muß in diesen Fällen nach dem Stellenwert von biologischer versus sozialer Vaterschaft (Elternschaft) für die Etablierung einer Vater-Kind-Beziehung (bzw. Eltern-Kind-Beziehung). Die problematischen Folgen einer stärkeren Gewichtung von genetischer im Vergleich zur faktischen sozialen Elternschaft haben sich vor allem im Bereich des Adoptiv- und Pflegekinderwesens, des Stiefkinderrechts und bei Umgangsrechten geschiedener Eltern gezeigt. Bislang gibt es deshalb in der Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland keinerlei formulierten Grundsatz dahingehend, daß der Kontakt mit dem biologischen Vater stets dem Kindeswohl entspricht - unabhängig von der real existierenden Beziehung (Lakies 1990, S. 232). Das Offenlegungs- und Ausforschungsverbot des § 1758 BGB schützt Adoptiveltern - zum Wohl des Kindes und seiner ungestörten Entwicklung - vor Nachforschungen der genetischen Eltern. (Gleichwohl haben adoptierte Kinder nach Erreichen des 16. Lebensjahres ein Recht auf Einsicht in den Geburtseintrag und damit auch die namentliche Kenntnis ihrer genetischen Eltern.) Im Streit um die Herausgabe eines Pflegekindes an die leiblichen Eltern entschied das Bundesverfassungsgericht 1984 zugunsten der gewachsenen Beziehungen zwischen Kind und Pflegeeltern'. In Fällen der Ehelichkeitsanfechtung eines Kindes und der wahrheitswidrigen Vaterschaftsanerkennung sind dem Erzeuger eines Kindes bislang keine Anfechtungsrechte eingeräumt worden (Frank 1988). Dies wird in der Regel auch mit dem Vorrang einer faktischen Eltern-Kind-Beziehung gegenüber der Blutsverwandtschaft begründet.

VIII. Die rechtliche Neubewertung der genetischen Vater-Kind-Beziehung

Neuere Rechtsentwicklungen deuten darauf hin, daß die bislang im bundesrepublikanischen Familienrecht erkennbare Relativierung der >Blutselternschaft< wieder in Frage gestellt wird. Dies geschieht in erster Linie nicht unter dem Aspekt einer Stärkung väterlicher Rechte, sondern unter dem Blickwinkel eines kindlichen Anspruches auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung, der vor allem im Kontext neuer Reproduktionstechniken stärker hervorgehoben wird. Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei vielbeachteten Urteilen entschieden, daß jeder Mensch ein Recht auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung hat:

In einem Beschluß vom 18.1. 1988 wurde dem nichtehelich gezeugten Kind einer verheirateten Frau ein Anspruch darauf zuerkannt, von seiner Mutter den Namen seines Vaters zu erfahrene, und in einer Entscheidung vom 31.1. 1989 wurden die bislang bestehenden engen Grenzen für eine Ehelichkeitsanfechtung durch das Kind für verfassungswidrig erklärt3.

Beide Entscheidungen werden im juristischen Schrifttum als Paradigmenwechsel des Abstammungsrechts gewertet (Koch 1990).

Hintergrund dieser Entscheidungen war zum einen eine breite juristische Diskussion über die rechtlichen Konsequenzen neuer Reproduktionstechniken, vor allem der heterologen Insemination mit sog. >Samencocktails<. Zum anderen wird neuerdings der genetischen Ausstattung eines Individuums rechtlich wieder hohe Bedeutung im Hinblick auf Identitätsfindung und Persönlichkeitsentwicklung zugesprochen (exemplarisch >Benda<-Kommission 1985, S. 24).

Die Ansprüche eines Kindes auf Offenlegung der genetischen Vaterschaft sind nachvollziehbar, die Urteile des Bundesverfassungsgerichts erfuhren deshalb hohe öffentliche Beachtung und Zustimmung.

Derzeit ist in geführten Diskussionen (noch) nicht erkennbar, ob sie einer Stärkung der Vaterposition dienen, da in allen Beiträgen nur das Kindesrecht ins Zentrum der Argumentation gestellt ist. Faktisch sind aber die weitergeführten Rechtsannahmen geeignet, ein neues (abgeleitetes) Vaterrecht zu begründen. Denn dem Recht auf Kenntnis muß eigentlich notwendig, das Recht auf Kennenlernen, damit das auf Umgang folgen.

1 BVerfG, FamRZ 1985, 39ff.
2 BVerfG, NJW 1988, 3010.
3 BVerfG, EzFamR BGH § 1598 Nr. 1 m.Anm. Münder.
 

Vom Recht auf Umgang mit dem Vater als Erzeuger, nicht nur als Verwandtem, ist es dann nur ein kleiner Schritt zu einem vollen Umgangsanspruch des Vaters - da er nicht zum bloßen Objekt der Beziehung werden darf. Wenn dies der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient, ist auch der Weg bereitet zu einer anteiligen Personensorge des Vaters.

IX. Erweiterte Umgangsrechte nichtehelicher Väter - auch gegen den Willen der Mütter

In der Bundesrepublik Deutschland wächst der Anteil nichtehelich geborener Kinder.

Nach § 1705 BGB sind nichtehelich geborene Kinder der elterlichen Sorge ihrer Mütter unterstellt. Die nichtehelichen Väter werden zur Zahlung von Alimenten herangezogen. Bislang können nichteheliche Väter keine Sorgerechte für ihre Kinder übernehmen. Das Vormundschaftsgericht kann ihnen Umgangsrechte mit dem Kind dann einräumen, wenn ein persönlicher Umgang mit dem Vater dem Wohle des Vaters dient. Der beantragende Vater muß dies nachvollziehbar begründen können.

Andere, ansonsten durch die Eheschließung garantierte materielle Ansprüche der Eltern aneinander entfallen bei nichtehelichen Geburten: Nichteheliche Mütter haben (mit Ausnahme eines kurzen Zeitraums vor und nach der Geburt) keine Unterhaltsansprüche gegenüber nichtehelichen Vätern. Auch nach einer Trennung können sie im Unterschied zu geschiedenen Frauen keinen Unterhalt einfordern, sie haben keinen Anteil an der Altersversorgung des Mannes.

Am 24.8. 1989 hat die derzeitige Bundesregierung (CDU-CSU-FDP-Koalition) den Entwurf eines Gesetzes über die rechtliche Möglichkeit des Umgangs zwischen Vater und nichtehelichem Kind (Nichtehelichen-Umgangsgesetz NEhelUmG) verabschiedet, das den nichtehelichen Vätern Umgangsrechte mit leiblichen Kindern auch gegen den Willen der Mütter sichern soll. Umgangsrechte nichtehelicher Väter sollen nicht länger an besondere, einschränkende Voraussetzungen gebunden sein und dann gewährt werden, wenn der Umgang mit dem Vater >dem Wohl des Kindes nicht widerspricht<. Die Beweislast dafür obliegt nunmehr der Mutter.

Absicht des Gesetzentwurfes ist es, die Bereitschaft der Mütter zu fördern, im Interesse des Kindes mit dem Vater zusammenzuarbeiten (Bundesrats-Drucksache 465/89). Ausdrücklich wird dieses Gesetz als erster Schritt und Signal für eine umfassende Überprüfung des nichteheliche Kinder betreffenden Sorge-, Adoptions- und Unterhaltsrechts betrachtet.

Der vorliegende Gesetzentwurf erscheint insofern überfällig, als er veränderten Lebensverhältnissen Rechnung trägt. Viele nichteheliche Väter leben mit ihren Kindern zusammen und entwickeln enge Bindungen an sie - und umgekehrt. In Fällen einer tatsächlich gelebten Vater-Kind-Beziehung erscheint die defizitäre Rechtsstellung dieser Väter ungerechtfertigt. Aus der Perspektive der mit ihnen zusammenlebenden Kinder ist es unerheblich, ob ihre Eltern verheiratet sind oder nicht.

Gegen den Gesetzentwurf wurde eingewandt, daß das Gesetz von jenen Vätern mißbraucht werden kann, die kaum personale Beziehungen zum Kind aufgebaut haben und sich vorwiegend nur auf die Erzeugerschaft berufen. Diese Befürchtung erscheint angesichts einer allgemeinen Reformulierung der Bedeutung genetischer Elternschaft nicht unbegründet.

Nach Napp-Peters (1985, S.88ff.) ist lediglich 25 Prozent aller Kinder lediger Mütter der Vater überhaupt persönlich bekannt. Dies war vorwiegend nicht durch die Absicht der Mütter begründet, persönlichen Kontakt zu verhindern, sondern durch das mangelnde Interesse der genetischen Väter an ihren leiblichen Kindern - nach wie vor scheint der Erzeugung nichtehelicher Kinder in den meisten Fällen eher ein männliches Desinteresse an der Schwangerschaftsverhütung als der ausdrückliche Kinderwunsch ihrer Väter zugrundezuliegen.

Kritikerlnnen haben vor allem auf die lebenspraktischen Probleme einer Regelung verwiesen, die einem Vater - der dem Kind oftmals fremd (geworden) ist - ein Umgangsrecht gegen den Willen der Mutter einräumt. Es fällt nicht schwer, sich die Auswirkungen auf ein kleines Kind vorzustellen, das alle vier Wochen einem relativ unbekannten Mann übergeben wird (werden muß), dem die Mutter ablehnend gegenübersteht. Auch wenn in Einzelfällen die mangelnde Einsicht von Frauen in das Bedürfnis ihrer Kinder nach (weiterbestehendem) Kontakt zum Vater bedauert werden mag, ist dennoch festzuhalten, daß sich jede Form von rechtlichem Zwang im Eltern-Kind-Verhältnis in der Regel fatal auswirkt. Gerichtlich festgesetzte Umgangsrechte, die notfalls erzwungen werden müssen, dienen selten dem Kindeswohl. Sie ermöglichen auch nur selten den Aufbau einer unbelasteten Vater-Kind-Beziehung - ein Faktum, das von den Vätern, die dieses Gesetz befürwortet haben, ebenso übersehen wird wie vom Gesetzgeber.

Der jetzt vorliegende Entwurf eines >Gesetzes über die rechtliche Möglichkeit des Umgangs zwischen Vater und nichtehelichem Kind< muß wesentlich auch als einseitige Stärkung der väterlichen Rechtspositionen gegenüber der Mutter interpretiert werden. Eine Erweiterung väterlicher Verpflichtungen gegenüber Kindern ist damit nicht beabsichtigt. Seit Frauen mit wachsender ökonomischer Selbständigkeit und neuem Selbstbewußtsein begonnen haben, nichteheliche Mutterschaft auch als Chance zu mehr Selbstbestimmung zu begreifen, wird ihnen diese Position immer mehr streitig gemacht. Bemerkenswert ist, daß bislang keine Bemühungen erkennbar sind, alle anderen im Zusammenhang mit der Auflösung nichtehelicher Lebensgemeinschaften anstehenden Probleme (Unterhalt, Altersversorgung) zu regeln, sondern daß sich diese Initiativen ausschließlich auf erweiterte Rechtspositionen von Vätern konzentrieren.

X. Grundzüge einer Reform von Sorge und Umgangsrechten für Väter nichtehelicher Kinder

Ausgangspunkt einer allgemeinen Reform von Sorge- und Umgangsrechten für Väter nichtehelicher Kinder sollte die tatsächliche Lebenssituation eines Kindes sein (Lakies 1990, m. w. N.; Knöpfel 1990, m. w. N. ).

Sofern die Eltern eines nichtehelichen Kindes zusammenleben und beide dies wünschen, sollte ihnen die Möglichkeit eines gemeinsamen Sorgerechtes eingeräumt werden. Ein solches gemeinsames Sorgerecht ist bislang nicht möglich in einer Entscheidung vom 24. 3. 1981 hat das Bundesverfassungsgericht diese Rechtslage als verfassungskonform definiert'. Im juristischen Schrifttum werden hier zunehmend Zweifel angemeldet (Soergel-Srrcitz § 1705 Rz.5, in. w.N.; Beitzke 1983, S. 627).

Für nicht miteinander verheiratete, aber zusammenlebende Eltern könnte eine väterliche Mitausübung der Sorge für ein Kind gesetzlich vorgesehen werden. Ein Regelungs-Vorschlag dafür liegt vor (Knöpfe! 1990, S. 238): »§ 1712: Die Mutter kann dem Vater die Mitausübung der elterlichen Sorge übertragen. Solange das Kind mit den Eltern im selben Haushalt lebt, ist im Zweifel anzunehmen, daß dies geschehen ist.«

»Eine solche Regelung hätte mehrere Vorzüge: Sie würde nahezu alle nichtehelichen Gemeinschaften mit gemeinsamen Kindern erfassen, ein Gerichtsverfahren erübrigen; die Regelung würde im Zweifel nur für die Dauer des Zusammenlebens gelten, auf Wunsch der Eltern könnte sie jedoch auch unabhängig vom Bestand einer Lebensgemeinschaft getroffen oder fortgeführt werden« (Knöpfet 1990, S. 238).

In Fällen einer tatsächlich gelebten engen Vater-Kind-Beziehung wäre bei einer Trennung nicht verheirateter Eltern eine dem Scheidungsrecht analoge Aushandlung von Sorgerechten zu diskutieren (Lakies 1990). Auch für diesen Fall liegt ein entsprechender Formulierungsvorschlag von Knöpfel (1990, S. 238) vor.

Würden Rechtsbeziehungen zwischen Vater und nichtehelichem Kind an den genannten Prinzipien orientiert, wären tatsächliche Sozialisationsbedingungen des Kindes und nicht die rechtliche Definition des Verhältnisses der Eltern zueinander deren Grundlage (Lakies 1990, S.223). Die soziale Trennungslinie verliefe dann zwischen der Lebensform der Zwei-Eltern- und Ein-Eltern-Familie (ebd.).

Die generelle Zuerkennung einer gemeinsamen Sorge an beide nicht miteinander verheirateten Eltern ist abzulehnen (Knöpfet 1990, S. 36, m. w. N.). Nichteheliche Mütter dürfen von vornherein weder auf eine Lebensgemeinschaft noch auf Kontakt und sozialen Umgang mit den Vätern ihrer Kinder verpflichtet werden.

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4 BVerfGE 56, 363 = FamR 1981, 429ff.