Familienforscher: Paare scheitern oft an überzogenen Glückserwartungen

Experte: Ehe bietet nur relatives Glück

München (an-o/dpa) - Die meisten Ehen in Deutschland scheitern nach Ansicht des Familienforschers Wassilos Fthenakis an überzogenen Glückserwartungen.

"Die Menschen suchen verzweifelt nach Intimität und wollen das Maximum an Glück in der Beziehung finden", sagte der Direktor des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München gestern. Solche Hochgefühle seien jedoch unrealistisch und keinesfalls über Jahrzehnte hinweg in einer einzigen Partnerschaft umzusetzen. Nach Ansicht des Wissenschaftlers haben sich die Motive für eine Eheschließung in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt. Der Nachwuchs stünde nicht mehr an erster Stelle, sondern die eigene Selbstverwirklichung. Gleiches gelte bei der Trennung. "Kinder werden heute nicht mehr als Scheidungshindernis angesehen, vor allem weil die Frauen selbstbewusster geworden sind."

Selten akuter Konflikt

Einer Scheidung gehe heute selten ein akuter Konflikt voraus. "Die Paare trennen sich, weil ein oder beide Partner merken, dass sie ihren Lebensentwurf nicht miteinander verwirklichen können", sagte Fthenakis. Das erkläre auch, dass fast 75 Prozent der Scheidungswilligen im Einvernehmen auseinander gingen. Um die Scheidungsquote zu senken, müssen die Paare nach Ansicht von Fthenakis auf realistische Ziele in einer Beziehung vorbereitet werden. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass ein Kind hinzu kommt. "80 Prozent der Eltern kommen mit dieser Veränderung nicht zurecht", erläuterte der Wissenschaftler.

Drei Reformen unumgänglich

Fthenakis, der Politiker und das Bundesverfassungsgericht in Familienfragen berät, hält drei Reformen für unumgänglich: Mehr Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren, flexiblere Arbeitszeiten für Väter und mehr Beratung für Paare in den ersten zwei Jahren nach der Geburt eines Kindes. "Dann ist ein relatives Glück in einer Ehe lebbar."

28.08.2002
Aachener-Nachrichten