Im Gedenken an Andre Schaller.
Als Mahnung an die Lebenden.

Der Missbrauch mit dem Missbrauch
Dipl.-Psychologin Beate Kricheldorf, Olpe

 

Vermutlich war es die Veröffentlichung 1984 von Barbara Kavemann und Ingrid Lohstöter "Väter als Täter", die die Diskussion zum sexuellen Missbrauch angestoßen hat und z. T. zum überkochen gebracht hat. Jedenfalls taucht hier zum ersten Mal die ominöse Zahl "300.000 Missbrauchsopfer jährlich" auf, die dann überall aufgegriffen wurde und durch die gesamte Missbrauchsliteratur geistert. Wegen der Annahme von hohen Dunkelziffern haben die beiden Autorinnen einfach Zahlen des Bundeskriminalamtes mit 30 hochgerechnet und kommen so zu ihrem spektakulären Ergebnis. Sowohl das BKA als auch der Deutsche Kinderschutzbund haben sich später von diesen Zahlen distanziert.

Sozialwissenschaftliche Untersuchungen in den USA (zitiert nach Georg Glass; Vorwurf Kindesmissbrauch, Tagebuch eines Alptraums. Patmos Verlag Düsseldorf, 1994), dass 80 % aller Missbrauchsvorwürfe, die im Zusammenhang mit Sorgerechtstreitigkeiten und Trennungen erhoben werden, unbegründet sind. In Deutschland gibt es, mit Ausnahme von Katharina Rutschky oder Reinhardt Wolff, kaum Veröffentlichungen zu dieser Problematik. Nun darf das nicht dazu verleiten, jeden Mißbrauchsvorworf im Zusammenhang mit Trennung/Scheidung als unbegründet abzutun. Aber zumindest ist hier doch die Wahrscheinlichkeit unberechtigter Missbrauchsvorwürfe deutlich erhöht. D. h. die Instrumentalisierung des Missbrauchs scheint - angesichts der zahlreichen Trennungen/Scheidungen - ein ernstzunehmendes gesellschaftliches Problem darzustellen; von den persönlichen damit verbundenen Tragödien ganz zu schweigen. Ohne tatsächlichen Missbrauch nur im Geringsten verharmlosen zu wollen, muss die Frage erlaubt sein, warum das Missbrauchsthema :

  1. so hochgepuscht wurde,

  2. bevorzugt in Trennungssituationen instrumentalisiert wird.

Nutznießer sind z. B. die ganzen Helfer- und Beraterberufe und eine Mafia von sexualfeindlichen Radikalfeministinnen.

Dass gerade sexueller Missbrauch bei Trennungen so häufig vorgebracht wird, mag damit zu erklären sein, dass allein das Vorbringen eines Verdachts ausreicht, um den Beschuldigten im höchsten Maße zu stigmatisieren. Problematisch ist oft die Glaubwürdigkeit von Kinder- oder Opferaussagen und die zweifelhaften Aufdeckungsmethoden in der sog. Helferszene : bes. die Arbeit mit den "verdrängten Erinnerungen". Bei "Wildwasser" usw. gilt es als großer Erfolg, wenn z. B. eine Frau, die sich 20 Jahre lang an kein Missbrauchserlebnis erinnern kann, plötzlich "Erleuchtungen" bekommt. Zudem ist eine bloße Haltung von Parteilichkeit, Mitleiden oder Überidentifikation mit den Opfern insofern problematisch, weil effektives therapeutisches Arbeiten eine gewisse innere Distanz erfordert.

Teilweise scheinen die Kinderschutzsysteme selbst aus den Fugen zu geraten. In ihrer eigenen Hilflosigkeit oder auch Unfähigkeit wird von übereifrigen Kinderschützern oft übersehen, dass Menschen (Kinder und Erwachsene) Rechte haben. Oft werden soziale Probleme regelrecht inszeniert, um selbstorientierte, eigennützige Interessen durchzusetzen.

Die Skandalisierung des Missbrauchsthemas ist möglicherweise auch ein brauchbares Forum, um andere Probleme (Geschlechterbeziehungen, sexuelle Probleme, Eltern-Kind-Konflikte usw.) auszutragen

Ob der derzeitige Verfolgungswahn gegen Väter, die angeblich ihre Kinder missbrauchen, tatsächlich Kindesmisshandlung oder -missbrauch verhindern oder verringern kann, ist zumindest fraglich.

Eine fanatische Helferszene leistet "Missbrauch mit dem Missbrauch" Vorschub. Und tatsächliche Opfer werden womöglich nicht mehr ernst genommen, denn plötzlich werden auch wieder verharmlosende Töne laut.
 

Beate Kricheldorf Verantwortung: 
Nein danke ! Weibliche Opferhaltung als Strategie und Taktik.
R. G. Fischer, 1998 ISBN 3-8905-617-9