Fünf Kinder aus zwei Ehen - Familie zweiter Klasse?

Bei Scheidungskindern ist auf Vergünstigungen kein Verlass: Unterhaltsleistungen werden nur selten anerkannt

Dem Klingelzeichen folgen zahlreiche Tippelschritte. Auf einem Meter Höhe schieben sich drei kleine Nasen durch den Türspalt. Hier bin ich richtig. Schöckers, wohnhaft in einer Doppelhaushälfte im Stuttgarter Norden, Patchworkfamilie.

VON BARBARA CZIMMER-GAUSS

"Die Kinder wollten heute nicht in den Kindergarten'', sagt Mutter Monika (Namen geändert). Sie fürchtet, dass das Gespräch, das ihr am Herzen liegt, laufend gestört werden könnte. Die Furcht - das wird sich erweisen - ist unbegründet, die drei Geschwister ziehen sich zum Spielen in ihr Zimmer zurück.

Es liege keine absolute Notlage vor, "es ist die Ungleichbehandlung, die uns sauer aufstößt'', sagt die 37-Jährige. Die resultiert aus der ersten Ehe ihres Mannes und daraus, dass der zwar gern für den Unterhalt der beiden Kinder aufkommt, doch längst nicht als sorgender Vater anerkannt wird.

850 Mark monatlich bezahlt Martin Schöcker an seine Ex-Frau, die sich mit ihm auf diesen Betrag geeinigt hat. Rund 3150 Mark bleiben Schöckers danach zum Leben. "Das kommt schon hin, wir leben so sparsam wie möglich'', sagt Monika Schöcker, was die einfache Möbelausstattung beweist. Der Staat aber schenkt der fünfköpfigen Familie nichts. "Wir haben mit dem größeren Wohnraum Gelegenheit geschaffen, dass die beiden Kinder aus erster Ehe jedes zweite Wochenende bei uns wohnen können. Doch bei den vergünstigten Krediten der Landeskreditanstalt oder der Stadt zählen die beiden Kinder nicht.''

Als würde sich ihr Vater nicht um sie kümmern, ist den Schöckers auch der Bezug von Wohngeld unmöglich: Nur die im Haushalt lebenden Personen finden Berücksichtigung - wie übrigens auch bei den Ermäßigungen für Kindergartenbeiträge. Den Wunsch nach einem Familienpass, in dem die Kinder aus erster Ehe berücksichtigt werden, muss Monika Schöcker sich abschminken: Wenn die Alimente das verfügbare Einkommen auf unzumutbare Weise schmälern, solle der Gatte erst einmal eine Abänderungsklage auf Herabsetzung einreichen - danach sehe man dann weiter.

Eine Abfuhr nach der anderen handle man sich ein. So auch beim Betreuungsfreibetrag, den die Familie beim Finanzamt beantragen wollte. Den können nach geltendem Recht nur Sorgeberechtigte geltend machen. Da Martin Schöcker nur ein Umgangs-, aber kein Sorgerecht hat, ist er auf das Wohlwollen der Mutter angewiesen: Sie müsste die Mädchen mit Zweitwohnsitz in seiner Wohnung anmelden, tut es aber nicht. Dem Vater geht ein Freibetrag in Höhe von circa 3000 Mark flöten.

Absage auch in Sachen Eigenheimzulage: Nur jene Kinder zählen, die häuslich zugehörig sind. "Die Kinder aus erster Ehe sind es nicht'', bemerkt Monika Schöcker bitter, "bei Internatskindern oder Behinderten, die die Woche über anderweitig untergebracht sind, ist dies anders.'' Scheidungen und Scheidungskinder scheinen dem Staat gegen den Strich zu gehen, mutmaßt die dreifache Mutter. Und: "Die Politiker erfassen die Problematik und das komplizierte Rechtssystem offenbar nicht mehr.'' Die Fensterreden zum Wohl der Familie zermürben.

Die Kinder stürmen zur Haustür, recken die Hälse. "Mama, es regnet nicht mehr. Dürfen wir jetzt draußen spielen?'' Drei Paar Gummistiefel stehen bereit, zwei Paar in derselben Größe. Nach dem ersten gemeinsamen Kind hatten die Schöckers "nicht mehr mit einem zweiten gerechnet, und dann wurden es Zwillinge'', sagt die Mutter. Eines ist für sie inzwischen fast selbstverständlich geworden: sich für die scheinbar unverantwortliche Lebensführung mit zwei Scheidungs- und drei eigenen Kinder zu entschuldigen.
 

23.06.2001
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/dc1/html/news-stn/20010623loka0004.shtml