Gespräche statt Kampfhandlungen

Richter, Anwälte, Jugendamtsmitarbeiter und Berater diskutieren die Cochemer Praxis

Von Katja Grieser Greiz.

Scheidungen sind keine angenehme Sache. Noch schlimmer ist es, wenn Kinder da sind. Die leiden unter den Spannungen zwischen den Eltern besonders. Umso schlimmer, wenn sich dann Mutter und Vater nicht einig sind, wo das Kind leben und wann und wie der einstige Partner Besuchsrecht bekommen soll. Wenn sich das Elternpaar dann vor Gericht streitet, leiden darunter die Kinder am meisten. Aus diesem Grund gibt es das Cochemer Modell, ein Projekt, das deutschlandweit in Fachkreisen für Aufsehen gesorgt hat. Es ist ein von einem Arbeitskreis des Cochemer Familiengerichts gemeinsam mit Fachleuten der Jugendämter des Landkreises Cochem-Zell entwickeltes Modellprojekt. Hierbei wird versucht, die Streitigkeiten zwischen dem Elternpaar möglichst vom Kind fern zu halten. Und zwar durch das gemeinsame Arbeiten von Jugendamt, Anwälten und Beratungsstellen.

Auf Grundlage des Cochemer Modells wird auch in Greiz schon seit einigen Jahren verfahren. Um diese Art der Arbeit zu intensivieren, fand am Montag im Amtsgericht eine Veranstaltung rund um das Cochemer Modell statt. Richter Alexander Erbarth hatte dazu Interessierte eingeladen, Anwälte, Richter, Mitarbeiter des Jugendamtes sowie sozialer Einrichtungen waren der Einladung gefolgt. Antina Eichler und Karin Spranger von der beratungsstelle des Diakonievereins Carolinenfeld sprachen dabei über ihre Arbeit mit Eltern, die sich trennen wollen. Eichler legte dar, dass bei Trennungen häufig Kränkungen eine Rolle spielen. Das führe dann mitunter dazu, dass ein Elternteil dem anderen den Umgang mit dem Kind nach der Trennung verbieten will. Häufig wird dann der Ruf nach dem Richter laut, weil sich das Paar nicht einigen kann. Die Cochemer Praxis will nun erreichen, dass die Vertreter der verschiedenen Professionen - also Anwälte, Jugendamt und Berater - ein Ziel verfolgen: das Wohl des Kindes.

"Es geht nun darum, den Eltern klar zu machen, dass zwar die Paarbeziehung gescheitert ist, aber dass sie immer noch Eltern sind", so Karin Spranger. Richter Erbarth bringt es auf den Punkt: "Es soll möglichst wenig schmutzige Wäsche gewaschen werden." Deshalb werde versucht, die "Kampfhandlungen" außen vor zu lassen und stattdessen über Gespräche zu versuchen, eine Einigung zwischen den Eltern zu erzielen. Beim Cochemer Modell werden während dieser Zeit auch die Schriftsätze zwischen den Parteien ausgesetzt. Denn, so die Erfahrung, während des Lösungsfindungsprozesses sei es mehr als schädlich, wenn den Parteien Briefe vom gegnerischen Anwalt ins Haus flattern.

So schön es klingt, über Gespräche eine Einigung zu erzielen, so schwierig ist es in der Praxis. "Es ist langwierig, die Denkweise der Eltern aufzuweichen", weiß Karin Spranger. Auf weitere Probleme machte eine Anwältin aufmerksam: "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Väter oftmals vom Jugendamt fehlberaten werden", so die Anwältin, deren männliche Mandanten sich offenbar in solchen Fällen benachteiligt gefühlt haben. Dagegen wehrten sich die Jugendamtsmitarbeiter natürlich vehement. Eine andere Anwältin machte auf die Situation aufmerksam, dass manche Paare - etwa wenn häusliche Gewalt eine Rolle spielt - ungeeignet für die Gesprächsvariante seien. Das konnte auch Heidrun Linke vom Frauenhaus bestätigen. "Letztendlich entscheidet die Frau. Wenn sie nein sagt, dann wird sie nicht gezwungen", so Karin Spranger.

Auch über die Kapazitäten der Beratungsstellen wurde nachgedacht. "Wenn wir alle Leute zur Beratung schicken, sind die doch bald überlastet", so ein Einwurf. Karin Spranger räumte ein, dass ihre Kapazität derzeit schon nahezu ausgeschöpft sei. Auch sei es mitunter schwierig, passende Termine zu finden.

Unproblematisch scheint die Umsetzung der Cochemer Praxis also keineswegs zu sein. Aus diesem Grund war die Veranstaltung am Montag zugleich konstituierende Sitzung eines Runden Tisches zur Handhabung des Cochemer Modells. Mehrmals jährlich, so die Vorstellung von Alexander Erbarth, sollen sich die Leute, die damit zu tun haben, zusammen setzen und so die Umsetzung des Modells optimieren.Es geht ums Kind.

Karin Spranger von der Diakonie-Beratungsstelle zum Zweck der Anwendung der Cochemer Praxis

08.04.2008

www.otz.de/otz/otz.greiz.volltext.php?kennung=on3otzLOKStaGreiz39545








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