Mediation

Konfliktlösung ohne Gewinner und Verlierer
Von Cornelia Pretzer

04. September 2003 Mediation kommt aus dem Lateinischen und steht für Vermittlung. Doch was Mediatoren können und an wie vielen Stellen Mediation von Nutzen ist, ist in Deutschland weithin noch nicht bekannt. „Wir sind in Europa Nachzügler“, sagt Katharina Gräfin von Schlieffen, im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Mediation und Direktorin des Contarini-Institutes für Mediation der Fernuniversität Hagen.

Mediation kommt überall da zum Tragen, wo Kommunikation zwischen Konfliktpartnern Möglichkeiten eröffnet, die in einem klassischen Gerichtsverfahren nicht auftauchen können. Als Beispiel nennt Schlieffen den Fall zweier Kinder, die sich um eine Orange zanken. Die Mutter greift ein und fordert beide auf, zu sagen, warum sie die Orange gern hätten. Es stellt sich heraus, daß ein Kind nur die Schale zum Kuchenbacken braucht, während das andere die Orange auspressen möchte. Ein salomonisches Urteil, bei dem jedes Kind eine Orangenhälfte bekommen hätte, wäre in einem solchen Fall die schlechtere Lösung gewesen. So kommt beiden Kindern die volle Orange zugute. Ein Fall von Mediation. „Bei der Mediation gibt es keine Gewinner und Verlierer“, sagt Schlieffen.

Mediation in Familie, Betrieb oder beim Fußball

Das Verfahren der Mediation findet in unterschiedlichen Feldern Anwendung. Überall, wo ein Betrachten der Situation aus einem anderen Blickwinkel als dem eigenen zu besseren Lösungen führt und ein teures Gerichtsverfahren umgeht, wirken Mediatoren. Schlieffen nennt vor allem Familienmediation als akzeptiertes Verfahren. Aber nicht nur, wo beispielsweise Kinder unter Konflikten der Eltern möglichst wenig leiden sollen, sondern auch in Schulen, wo Kinder selbst Konflikte austragen und lösen, ist Mediation etabliert. In Betrieben soll Mediation beispielsweise Mobbing - am besten im Vorhinein - verhindern. Zwischen Unternehmen soll sie Probleme bei Übernahmen und Kooperationen vor einem Gerichtstermin lösen. Bei Erbschaftsstreitigkeiten kann Mediation die für alle beste Lösung aufzeigen. Und auch im Sport kann bei Trainerwechseln in Fußballclubs oder Gewaltprävention bei Fans Mediation Wunder wirken.

In zwei Feldern, deren Namen gerade mit dem Aufkommen des Begriffes Mediation oft fielen, funktioniert eine solche Konfliktlösung Schlieffen zufolge oft nicht. In Nachbarschaftsstreitigkeiten und beim Thema Umwelt war die Mediation nicht so erfolgreich wie erhofft. Nachbarschaftsstreitigkeiten seien oft nur über eine Schiedsstelle zu lösen, die einen der beiden Kontrahenten zu einer konkreten Aktion auffordere, was die Mediation nicht leisten könne. „Bei der Umweltmediation liegt es, glaube ich, an der trägen Struktur der Verwaltung, daß Mediation oft nicht klappt“, sagt Schlieffen. Die Verwaltungen seien oft mit einer Vielzahl von Verfahren überfordert, so daß eine neue Idee wie die Mediation nicht auf fruchtbaren Boden falle.

Nicht alle Konflikte lassen sich mit Mediation lösen

Schlieffen betont, daß nicht alle Konflikte in einer Mediation gelöst werden können. „Manchmal muß ein Mediator ein Verfahren auch abbrechen, wenn die Möglichkeiten ausgeschöpft sind“, sagt sie. Sie bevorzuge eine Stelle, an der der Konflikt vor Beginn eines Verfahrens auf das geeignete Procedere geprüft wird. Daß in immer mehr Konflikten Mediatoren angerufen werden, wertet Schlieffen als Erfolg: „Der Prozeß ist keineswegs abgeschlossen“.

Doch im europäischen Vergleich liegt Deutschland immer noch weit hinten. Während in den Niederlanden seit dem Jahr 2000 Mediationsverfahren in vielen Bereichen staatlich gefördert werden und 60 Prozent aller Mediationsprozesse erfolgreich waren, sind in Deutschland solche Regelungen noch im Werden. In Großbritannien gibt es eine gesetzliche Regelung, daß familiäre Zwistigkeiten zunächst bei einem Mediator landen. Dort stößt Mediation auch auf große Akzeptanz. In der Schweiz ist eine Klausel in der Zivilprozeßordnung in Vorbereitung, die Mediation behandelt. In Österreich trat im April ein Zivilrechtsmediationsgesetz in Kraft, das für Mediatoren berufsrechtliche Dinge wie Honorarfragen klärt.

„Eine Menge Wildwuchs“

In Deutschland ist hingegen selbst die Tatsache, wer sich Mediator nennen darf, noch nicht klar geregelt. Verschiedene Vereinigungen wie die Deutsche Gesellschaft für Mediation (DGM) setzen bestimmte Standards, ehe der Mediator in eine Liste aufgenommen wird, für Verfahren eingesetzt wird und auch Honorarzuschüsse erhält. Die DGM verlangt beispielsweise eine 200-stündige profunde Ausbildung zur Mediation genauso dazu wie eigene Berufserfahrung in dem Feld, in dem mediiert werden soll. „Es gibt da allerdings auch eine Menge Wildwuchs“, sagt Schlieffen, denn rechtlich könne sich jeder, auch ohne qualifizierte Ausbildung, Mediator nennen. Kommende europäische Richtlinien würden das allerdings eindämmen, was Schlieffen als „unglaubliche Branche von Heilern, Entertainern und Animateuren, die alle Mediation auf ihrer Agenda haben“ bezeichnet.
 

04.09.2003
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