Wenn zwei sich streiten, leiden die Kinder

Fast jede dritte Ehe wird heute geschieden. Auch Mülheim liegt im traurigen Trend. Über 450 Paare zogen 1999 einen Schlussstrich unter ihre Beziehung. Auch am sprichwörtlichen "verflixten siebten Jahr" ist hier etwas dran: Allein 41 Scheidungen gaben es just in diesem Zeitraum. Leidtragende sind vor allem die Kinder.

Streitigkeiten ums Sorge- und Umgangsrecht und Schuldzuweisungen der Eltern hinterlassen ihre Spuren. "Kinder werden zu Symptomträgern", erklärt Klaus Konietzka, Leiter des sozialen Dienstes im Jugendamt. Sie erlernen die Streitmuster ihrer Eltern und tragen sie im schlimmsten Fall später in ihre eigene Beziehung hinein.

 Seit einem Jahr bietet das Jugendamt nun eine Möglichkeit der Konfliktlösung an. Mediation heißt die Beratungsform, die zwar kein Zaubermittel ist, aber einen Weg zum vernünftigen Dialog der Eltern aufzeigt. Die einstigen Partner sollen sich auf ihre Rolle als Eltern zurückbesinnen, erklärt Diplom-Sozialarbeiterin Heide Sander, die als Mediatorin zwischen den beiden Konfliktparteien zu vermitteln versucht. Wichtige Voraussetzungen: Beide Partner müssen die Trennung akzeptiert und den Wunsch haben, eine Lösung zu erarbeiten und fair miteinander umzugehen. Das Wohl der Kinder steht an oberster Stelle. "Wir wollen die Einigkeit für die Kinder wieder herstellen", bringt Heide Sander das Beratungsziel auf den Punkt.

 Keine leichte Aufgabe, die neue Elternrolle ins Zentrum des Interesses zu stellen. Wut, Ohnmacht, Verletzungen sitzen tief. "Die Qualität der strittigen Auseinandersetzung hat sich verschärft. Es ist härter geworden", hat Dirk Hempel, Gruppenleiter der sozialen Dienste Linksruhr, beobachtet. "Die ersten zwei Gespräche sind meistens von einer ablehnenden Haltung geprägt", berichtet Heide Sander. Doch im Laufe der Betreuung, die sich über zehn Gespräche erstreckt, bröckelt die Mauer, die Vorwurfshaltung werde abgelegt. "Zum Ende der Beratung ist in der Regel eine größere Bereitschaft da, miteinander zu reden. Die Eltern merken, den Kindern geht es besser", resümiert die Mediatorin und fügt hinzu: "Nicht die Scheidung ist für die Kinder entscheidend, sondern der Streit. Sie wollen eine Verbindung zu beiden Elternteilen haben."

 Das Signal, sich wieder konstruktiv und zum Wohle der Kinder auseinandersetzen zu wollen, kommt von Frauen und Männern gleichermaßen. Zwischen zehn Paaren hat Heide Sander im letzten Jahr vermittelt, mit ihnen Lösungen erarbeitet und über Alternativen diskutiert. Die Mediation ist keine Therapie und streng vertraulich. Nur die Aufnahme und Beendigung der Beratung werden an das Familiengericht weitergegeben. Auf Wunsch können die Eltern zum Abschluss einen Mediationsvertrag formulieren, in dem die Ergebnisse und die künftige Vorgehensweise, auch für das Familiengericht, festgelegt werden. P.K.
 

Die Teilnahme an einer Mediation ist noch kostenfrei. Wer sich für das Beratungsangebot interessiert, kann sich beim Jugendamt oder beim Familiengericht informieren. Beide helfen bei der Vermittlung. Auch Heide Sander gibt Informationen. Sie ist unter Tel: 455-5165 oder -5166 zu erreichen.
 

05.12.2000
NRZ