Studie des Bundesfamilienministeriums:
In jeder dritten Partnerschaft wird zugeschlagen

Gewalt gibt es in den besten Familien. Auch Frauen sind unter den Tätern - Hohe Dunkelziffer - Appell der Polizei an Außenstehende

NEUMARKT (mb) - Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung, Freiheitsberaubung, Sexueller Missbrauch - "Häusliche Gewalt" kommt in den besten Familien vor. Dass der Schein der glücklichen Familie trügt, erkennen oft nur wenige. Doch leider ist Gewalt in Lebensgemeinschaften keine Ausnahme.

Einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zufolge kommt es in jeder dritten Partnerschaft zu körperlicher Gewalt. Meist richtet sie sich gegen Frauen und Kinder und kommt in allen sozialen Schichten vor. Meist.

Längst keine Seltenheit mehr, aber selten ein Thema ist Gewalt, die von Frauen ausgeht - gegen Kinder, aber auch gegen den Ehemann oder Lebensgefährten. Nach Forschungsergebnissen in Dänemark und Neuseeland ist etwa ein Drittel der Frauen dem Partner gegenüber schon einmal gewalttätig geworden.

Sabine Roidl, Frauenbeauftragte des Polizeipräsidiums Niederbayern/Oberpfalz, differenziert zwischen der Gewaltausübung von Frauen und Männern. "Meist verzichten Frauen auf körperliche Gewalt. Ihre Art der Gewaltanwendung ist eher psychisch - sie setzen den Mann unter Druck, beleidigen oder bedrohen ihn permanent." Prinzipiell schließt sie jedoch auch die Anwendung von physischer Gewalt nicht aus.

In den letzten sechs Jahren hat die Kriminalkommissarin drei Fälle von Frauengewalt bearbeitet. "Männer kommen nur in Einzelfällen zu uns", gibt sie an. Gründe dafür sieht sie vor allem im Rollenverständnis eines Mannes. "Der Mann ist der dominierende. Wenn er zugeben würde, dass er von einer Frau misshandelt worden sei, würde er aus dem Rollenbild des Mannes herausfallen. Männer haben Angst, in den Augen der Bevölkerung als Schwächling dazustehen, falls sich die Sache herumspricht."

Scham ist allerdings nur einer der Gründe. Auch finanzielle Abhängigkeit kann ein Hindernis für die Opfer sein, in die Offensive zu gehen. Doch Roidl räumt ein: "Auch Frauen haben große Probleme damit, ihre Männer anzuzeigen. Es ist allgemein schwierig, gegen seinen Partner vorzugehen."

Gewalt in Lebensgemeinschaften ist kein Bagatelldelikt und kann jedes Mitglied dieser Gemeinschaft treffen. Laut Roidl sind die Täter immer noch wesentlich häufiger Männer als Frauen. Besonders bei Sexualstraftaten, insbesondere gegen Kinder, seien die Männer die Haupttäter. Frauen seien allerdings häufig Mitwisser, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Anders sieht es jedoch bei der Misshandlung von Kindern aus. In dieser Beziehung würden Frauen genauso häufig als Täter auftreten wie Männer.

Was kann einen Menschen dazu treiben, einen geliebten Menschen psychischem oder physischem Terror aus zusetzen? Die Gründe seien bei Männern und Frauen gleich, so Roidl. Manche Menschen reagierten auf Überforderung mit aggressivem Verhalten. Eine mögliche Erklärung sei auch Gewalt als eine Art Wehrverhalten des Partners, wenn er oder sie jahrelang in der Beziehung zurückstecken musste oder drangsaliert wurde.

Der wichtigste Grund liege jedoch in der eigenen Erziehung, betont Roidl. "Viele Menschen haben nicht gelernt, anders mit Konflikten umzugehen. Wenn in der eigenen Familie Gewalt angewandt wurde, werden auch die Kinder später mit größerer Wahrscheinlichkeit Gewalt anwenden." Auslöser für Gewaltanwendung gebe es viele. Eifersucht, Erziehungsschwierigkeiten oder Alkohol seien nur einige der möglichen Gründe für häusliche Gewalt.

Die Existenz der häuslichen Gewalt kann die Polizei natürlich nicht verhindern. Zu hoch ist die Dunkelziffer, zu groß die Hemmung, zur Polizei zu gehen. Deshalb appelliert die Polizeidirektion Regensburg an Außenstehende, die Kenntnis von Gewalttaten innerhalb von Familien haben. Die Polizeidirektion Regensburg hat deshalb nun unter anderem für die Kriminalpolizeiinspektion Regensburg einen Beamten bestimmt, der schwerpunktmäßig mit der Aufarbeitung von Fällen häuslicher Gewalt beauftragt ist. Die Opfer bekommen dort auch Kontakte zu Beratungsstellen und sozialen Einrichtungen vermittelt.
 
 

Neumarkter Nachrichten vom 14./15. Juli 2001
http://www.nm-online.de/nm/l3.htm