Wenn Frauen zu Furien werden

Auch Männer werden zu Hause verprügelt - Statt Hilfe bekommen sie oft nur Häme

Von Tanja Laminger

Ein Haus, zwei Autos, zwei Töchter, eine gut bezahlte Arbeit als Ingenieur: Christian G. hat erreicht, wovon viele Männer träumen. Doch das Familienleben wurde für ihn zum Albtraum, weil es von Ehefrau Maria statt Streicheleinheiten nur noch Beschimpfungen und Prügel gab. Jetzt sehen sich beide nur noch vor Gericht.

"Am Anfang schwebte ich wie auf Wolken. Ich habe aus Liebe geheiratet", erinnert sich der 47-Jährige. Das liegt 17 Jahre zurück. 1992 bringt Maria ihre zweite Tochter zur Welt - und alles ändert sich. "Sie war nur noch unzufrieden, übellaunig und missgünstig", sagt Christian. Das Paar streitet immer häufiger, geht in Therapie - ohne Erfolg.

Im März 1998 schlägt sie das erste Mal zu. "Ich habe mir ein Modellauto gekauft - von Wiking. Sie findet das überflüssig und zu teuer, fordert mehr Taschen- und Haushaltsgeld, schreit und schlägt mir plötzlich mit der Faust ins Gesicht." Christian G. ist fassungslos. Er gibt den Hormonen die Schuld, schickt seine Frau zum Arzt. Die weigert sich, behält aber die Faust in der Tasche - neun Monate lang.

Zu Weihnachten folgt der nächste Angriff. Die Abstände werden kürzer, Christian G. gerät unter Dauerbeschuss. Immer wieder brüllt und schlägt seine Frau auf ihn ein, "mal mit einem Biberschwanz-Dachziegel, mal mit einer Wurstpackung". Als sie im Februar 2002 mit einem Hausschuh auf ihn und die ältere Tochter losgeht, ruft er die Polizei. Der ersten Anzeige folgen weitere, inzwischen sind es sieben. G. beantragt beim Familiengericht eine Verfügung, um seine Frau vom Haus fern zu halten. Doch die Richterin redet ihm das aus. Was er bitter bereut, denn der "Fehler" trägt ihm weitere Prügel und Psychoterror ein, bis seine Frau Ende April 2003 endlich auszieht.

Kurz darauf versucht sie, mit Gewalt die Haustür aufzubrechen. Christian G. hat Todesangst und ruft die Polizei. Die weigert sich zu kommen. "Man sagte mir, meine Frau könne so schlimm doch nicht sein." Er nennt weitere Beispiele für unsensible Reaktionen seitens der Behörden: Als er im August 2003 vor Gericht seine blauen Flecken und Wunden zeigt, kommentiert die Amtsanwältin, solche Hämatome habe sie auch schon gehabt. Das Verfahren wird wegen geringer Schuld eingestellt.

"G. ist kein Einzelfall", sagt Horst Schmeil, Begründer des Spandauer Männerhauses, "Frauen genießen die volle Unterstützung der Bürokratie - Männer stehen allein da." Aus der Justiz kommt kein Widerspruch: "Es ist nicht auszuschließen, dass die Ohrfeige, die eine Frau austeilt, als nicht so schwer wiegend empfunden wird, als wenn ein Mann die Frau ohrfeigt", sagt Justizsprecher Michael Grunwald. Jährlich laufen vor Gericht bis zu 4000 Verfahren wegen häuslicher Gewalt - nur ein Sechstel der Beschuldigten ist weiblich. Bei Frauen, die nie zuvor als gewalttätig aufgefallen seien, neigten Ermittler dazu, deren Tat als Ausnahme zu interpretieren und das Verfahren einzustellen - anders als bei Männern, die in der Regel körperlich überlegen seien. "Das ist ein Problem. Aber es entspringt gesellschaftlicher Prägung."

Bei der Polizei geht man gegen diese Haltung vor. Seit vergangenem Jahr gibt es in jeder Direktion Koordinatoren für häusliche Gewalt. Die Mitarbeiter werden intern geschult. "Außerdem überlegen wir, ein Projekt für Verwandte und Freunde von Opfern aufzulegen", sagt Martina Linke von der Zentralstelle für Opferschutz und häusliche Gewalt im Landeskriminalamt. Denn die würden Männer bislang unter Rechtfertigungsdruck setzen.

Genaue Zahlen, wie oft Männer Opfer häuslicher Gewalt werden, gibt es nicht. Das Bundesministerium für Familie lässt gerade eine Pilotstudie erarbeiten. In einem Modellprojekt von 1998 ermittelte eine Berliner Polizeidirektion, dass Männer 13,6 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt stellen. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen.

Aber um sie aufzuhellen, müssten Männer zwei Schritte unternehmen, sagt Kriminalhauptkommissarin Martina Linke: Erstens sich und anderen eingestehen, wenn sie Opfer von Gewalt geworden sind und sich zweitens zu einer Interessengruppe zusammenschließen. "Erst wer - wie Frauengruppen vor mehr als 30 Jahren - seine Forderungen öffentlich formuliert, kann etwas ändern." Christian G. ist noch nicht so weit: "Ich habe genug Häme eingesteckt. Statt zur Polizei zu gehen, hätte ich beim ersten Mal besser zurückgeschlagen. Dann hätte ich meine Ruhe statt ein Trauma."

"Das denke ich manchmal auch", sagt Männerhaus-Gründer Schmeil. Auch er hat häusliche Gewalt erlebt. Seine Frau hatte ihn beschimpft, geschlagen und dreimal mit dem Messer bedroht. "1994 verließ sie unser Haus. Seitdem bringe ich darin Männer unter, die ähnliche Erlebnisse verarbeiten müssen." Sein Männerhaus wirkt mit seinem Holztresen, schief aufgelegten Tischläufern und Pinguinposter an der Wand wie eine Mischung aus Jugendherberge und Junggesellenhaushalt. Drei Zimmer stehen bereit, zur Not können acht Männer unterkommen. Manche bleiben eine Nacht, andere Monate. So wie Gerhard Hanenkamp. Der 55-Jährige sagt: "Horst hat mir geholfen, wieder einen Sinn im Leben zu sehen."

Hier bekommen Männer Hilfe: Opferhilfe Tel.: 395 28 67, Krisenhaus Tel.: 986 45 68, Männerhaus Spandau Tel.: 336 30 40 und unter www.vafk.de im Internet.
 

29.02.2004
http://morgenpost.berlin1.de/archiv2004/040229/berlin/story662692.html