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Männer immer die Bösen?

Polizeigesetz - Verein macht mobil gegen Wegweisungsartikel

Bei häuslicher Gewalt gibt es nicht nur Täter, sondern auch Täterinnen. Sind die Wegweisungs- und Fernhaltungsbestimmungen des neuen Polizeigesetzes deswegen aber falsch?

Alois Felber

Wenn der Grosse Rat am nächsten Dienstag das neue Polizeigesetz berät, werden auch die Bestimmungen über Wegweisung und Fernhaltung bei häuslicher Gewalt zu reden geben. So zumindest will es René Keller, Präsident des Vereins verantwortungsvoll erziehender Väter und Mütter (VEV) Region Aargau. Keller macht zurzeit mit einer medialen Offensive darauf aufmerksam, dass Männer in weitaus grösserem Umfang Opfer von Gewalt ihrer Partnerinnen werden als landläufig angenommen. Er sagt, dass mindestens 50 Prozent der häuslichen Gewalt von Frauen ausgeht. Deswegen will er auch die im Polizeigesetz geplanten Bestimmungen zur häuslichen Gewalt zu Fall bringen.

Worum geht es? - Im ersten Abschnitt des Paragrafen 34 ist festgehalten, dass die Polizei vorübergehend Personen von einem Ort wegweisen oder fernhalten kann, wenn diese unter anderem die öffentliche Sicherheit erheblich gefährden oder auch Personen ernsthaft gefährden. Für Keller genügt dieser Passus bereits, um auch Kriseninterventionen in Fällen häuslicher Gewalt zu begründen. Zu streichen wären seiner Meinung nach die weiteren Abschnitte, die der Polizei die Befugnis einräumen, Personen, die der Anwendung von Gewalt gegen Haushaltsmitglieder dringend verdächtigt werden, den Aufenthalt im betroffenen Haushalt für bis zu 20 Tagen zu verbieten und dieses Verbot auch durchzusetzen.

«Wer schlägt, geht» nur für Männer?

Der VEV, der sich «für gleichwertige Beziehungen von Kindern zu Vater und Mutter auch bei Trennung» einsetzt, ist gegen diese Regelung, weil der Grundsatz «Wer schlägt, geht» in der Praxis nur für Männer gelte. Täterinnen werde allenfalls sogar das Sorgerecht für das gemeinsame Kind zugeschrieben. Dies, weil die Beschuldigung einer Frau gegen einen Mann von der Polizei immer ernst genommen werde. Ein beschuldigter Mann, selbst wenn er das Opfer war, werde hingegen in eine so schlechte Position gerückt, dass er fast nicht mehr zu seinem Recht kommen könne.

Keller untermauerte gestern seine Position mit einem in der «Rundschau» gesendeten Fallbeispiel eines Mannes, der nach eigenen Angaben während acht Jahren von seiner Frau geschlagen wurde. Nachdem er eine Schlagverletzung im Spital habe behandeln lassen müssen, sei er von seiner Frau bei der Polizei angezeigt und auch prompt wie ein Täter behandelt worden.
Keller hat nach eigenen Angaben mittlerweile Unterstützung von Grossräten gefunden, die am Dienstag einen Antrag in seinem Sinne stellen werden. Eine Wegweisung und Fernhaltung dürfe für höchstens 24 Stunden und nur bei körperlicher Gewalt ausgesprochen werden, ist Kellers Position.

Auch Männern soll geholfen werden

Ganz anders sieht das Mirjam von Felten, Leiterin des Interventionsprojektes gegen häusliche Gewalt beim Departement des Innern. Es sei tatsächlich wichtig, dass die tabuisierte Gewalt gegen Männer thematisiert werde, erklärt sie. Weil aber der kritisierte Gesetzestext geschlechtsneutral formuliert ist, trifft Kellers Argumentation bei ihr auf wenig Verständnis.
Was die Polizeipraxis etwa in St. Gallen angehe, das diese Gesetzesnorm schon kennt, so würden dort durchaus nicht nur Männer weggewiesen, betont von Felten. Angesprochen darauf, erklärt auch Kantonspolizei-Informationschef Rudolf Woodtli, dass die Polizei im Zweifelsfall keineswegs einfach den Mann wegweise, sondern dann eben den tatsächlichen Täter ermittle.
Für den Aargau verweist von Felten auf eine Statistik von 2002, wonach 10 Prozent der Täter bei häuslicher Gewalt Frauen waren. Aus der Polizeipraxis ergebe sich indes klar, dass schwere Gewalt tatsächlich vor allem von Männern ausgehe. Von Felten beurteilt denn auch Kellers Vorgehen als polemisch und wenig konstruktiv. Die Anliegen gewaltbetroffener Männer würden beim Interventionsprojekt ernst genommen. Eine der geplanten Massnahmen sei eine Beratungsstelle für Männer. Insgesamt sei die Wegweisung und Fernhaltung eine gute Massnahme, um einem sehr schwierigen Phänomen zu begegnen, lautet von Feltens Fazit.
 

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11.11.2004 10:25