-------- Original-Nachricht --------
Betreff:  BPA Bulletin: Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Ursula von der Leyen, zum Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen vor dem Deutschen Bundestag am 12. Oktober 2007 in Berlin:
Datum:  Mon, 15 Oct 2007 12:24:18 +0200 (CEST)
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Deutscher Bundestag
Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Ursula von der Leyen, zum Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen vor dem Deutschen Bundestagam 12. Oktober 2007 in Berlin:


Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Wenn wir über das Thema Gewalt gegen Frauen und vor allem, wie sich in der Debatte bereits deutlich herausgeschält hat, über das Thema Gewalt im häuslichen Bereich sprechen, insbesondere, wenn wir den 130 Maßnahmen umfassenden Aktionsplan gegen Gewalt hier debattieren, Maßnahmen, zu denen sich die Bundesregierung verpflichtet und die sie ausführen wird, wobei sie deutlich macht, dass sie eng mit Aktivitäten in Ländern und Kommunen verzahnt sein müssen, dann ist es meines Erachtens auch gegenüber den vielen Trägern und Organisationen, die hinter diesen Maßnahmen stehen und sie mit unglaublich viel Einsatz voranbringen, nicht richtig, jetzt in einen parteipolitischen Streit zu verfallen, ob dieser Aktionsplan so geschnitten ist, dass er jeder Fraktion und jedem politisch Handelnden gefällt. Ich halte es für wichtiger, wenn wir geschlossen, fraktionsübergreifend dieses wirklich große Bündel an Maßnahmen, das nicht nur die Bundesregierung, sondern viele andere Beteiligte einbezieht, würdigen und dann auch tatkräftig umsetzen.

Wenn wir wissen, dass jede dritte Frau körperliche Gewalt und jede siebte Frau in strafrechtlich relevanter Form sexuelle Gewalt erlebt hat, dann ist deutlich, dass Gewalt gegen Frauen kein Randproblem ist, sondern mitten in unserer Gesellschaft stattfindet. Damit ist klar, dass Gewalt aus der Mitte der Gesellschaft heraus in Zusammenarbeit aller Verantwortlichen verhindert oder abgewendet werden muss und dass wir uns nicht in einzelne Gebietskörperschaften oder in einzelne Parteien spalten lassen dürfen.

Gewalt ist eine schwere Hypothek; sie hinterlässt tiefe Spuren und Wunden. Sie ist eine schwere Hypothek auch für die nachwachsende Generation. 60 Prozent der Frauen, die Gewalt erlebt haben, sagen: Die Kinder sind dabei im Haushalt gewesen und haben alles mit angehört. Jede zweite Frau sagt: Die Kinder haben alles mit angesehen und alles mit angehört.Oft sind die Kinder in den Streit mit hineingezogen worden, wenn sie versucht haben, die Mutter zu verteidigen. Jedes zehnte Kind ist dann auch selber körperlich angegriffen, misshandelt und verletzt worden.

Diese Kinder erleben Gewalt als etwas, das zum Alltag dazugehört. Sie erleben Gewalt als etwas, womit der Vater, der Stiefvater oder der Mann seinen Willen durchsetzt: Sie ist sein Argument in der Auseinandersetzung. Also erleben sie Gewalt als etwas, was scheinbar eine selbstverständliche und akzeptierte Verhaltensweise ist. Daraus erklärt sich auch der deutlich erkennbare Zusammenhang, dass dann, wenn es in der Kindheit Gewalterfahrungen gab, das Risiko sehr viel höher ist, später entweder selber zum Täter oder aber auch zum Opfer zu werden, weil in der Kindheit folgende paradoxe Haltung gelernt wurde: Vielleicht bin ja ich als Kind schuld, dass der Vater so wütend wird, dass er die Mutter schlägt und gegen sie ausfallend wird.

Das genaue Gegenteil muss die Grunderfahrung der Kindheit sein: starke Frauen und starke Männer, die auf Augenhöhe Beziehungen miteinander führen und vor allem Respekt vor der Integrität des anderen haben. Aus solchen Beziehungen können starke Kinder erwachsen.

Deshalb ist mir ein Teil des Aktionsplans besonders wichtig - hier haben wireinen Schwerpunkt gesetzt -: Wir lenken den Blick auf die Kinder und Jugendlichen, die zu Hause Gewalt erleben und ganz spezifische Hilfe brauchen. Wir brauchen, was dieses Thema angeht, mehr Kompetenzen im schulischen Bereich und eine Verknüpfung mit der Jugendhilfe.

Ich will das am Beispiel eines Modellprojekts präzisieren, das wir an einer Schule in der Stadt Berlin durchführen. Es wird getestet: Wie kann die Schule diese spezifische Thematik gemeinsam mit der Jugendhilfe so in Angriff nehmen, dass den betroffenen Kindern, die dieses Thema ja nicht ohne Weiteres von sich aus ansprechen, in ihrer sehr schwierigen Lebenslage ganz gezielt geholfen werden kann?

Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen hat mit Gleichstellungspolitik zu tun. Aber es geht dabei auch um Familienpolitik und um Jugend- und Kinderpolitik. Deshalb ist die Vernetzung von Jugendhilfe, schulischem Bereich und all den Trägern und Organisationen, die Gewaltprävention betreiben oder von Gewalt Betroffenen Unterstützung und Hilfe bieten, so unendlich wichtig.

Mehrfach ist hier zu Recht der große Fortschritt erwähnt worden, zu dem das Gewaltschutzgesetz geführt hat. Es verfolgt die Grundhaltung: Wer schlägt, der muss gehen.Ich finde, dass noch ein weiterer Aspekt aufgenommen werden sollte: Wenn nämlich der Täter gehen muss, wenn er also des Hauses beziehungsweise der Wohnung verwiesen wurde und die geschlagene und misshandelte Frau mit den verängstigten Kindern zurückbleibt, dann muss diesen Menschen Hilfe ins Haus geschickt werden. Sie sind oft völlig traumatisiert und unfähig, aktiv zu werden, und die Zeit, in der sie handeln müssen, ist auf wenige Tage befristet.

Sehr wichtig ist hier die Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen, mit der Gerichtsbarkeit, mit der Polizei, aber auch mit den Interventionsstellen - sie haben in jedem Bundesland einen anderen Namen. Deren Mitarbeiter suchen die Frauen, Familien und Kinder auf, um sie zu beraten, wo sie Hilfe erhalten, um wieder auf die eigenen Füße zu kommen, wo sie Schutz finden und vor allen Dingen wie ihr Leben weitergehen soll.

Einzweiter Schwerpunkt, der im Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen gesetzt worden ist, betrifft das Thema "Frauen mit Migrationshintergrund". Das ist ein sehr wichtiger Aspekt, der hier schon debattiert worden ist. Angesichts der Kürze meiner Redezeit werde ich auf dieses Thema jetzt nicht weiter eingehen.

Ich möchte einenletzten Punkt ansprechen, der mir im Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen wichtig ist. Körperliche und sexuelle Gewalt bedeuten körperliche Verletzung. Daher müssen wir unseren Blick auf das Gesundheitswesen richten. Denn es sind die Ärztinnen und Ärzte und die Krankenschwestern und -pfleger, die die betroffenen Frauen als Erste und manchmal Einzige sehen. Es ist ganz entscheidend, dass sie sensibilisiert sind, die Not zu erkennen und richtig zu reagieren, wenn um zwei oder drei Uhr morgens eine Frau mit Platzwunden zu ihnen kommt.

Sie müssen die richtigen Fragen stellen, die richtigen Untersuchungen durchführen und die Ergebnisse richtig dokumentieren, damit sie später für eventuelle Prozesse genutzt werden können. Nachdem im Rahmen der Fort- und Weiterbildung zu diesem Thema im Krankenhaus erste Erfahrungen gesammelt wurden, ist es mir sehr wichtig, jetzt den Blick auf die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zu erweitern, um dieses Thema nicht aus den Augen zu verlieren.


und:
Wer häusliche Gewalt erleidet, sollte sofort zum Arzt gehen und Fotos machen lassen.
wenn es keinen Attest vom Doktor gibt, dann war es auch keine häusliche Gewalt.
Thomas

 

Im vorliegenden Aktionsplan wird deutlich, dass der Bund einiges in die Wege geleitet hat. Alleine werden wir diesen Aktionsplan allerdings nicht umsetzen können. Wir brauchen eine enge Zusammenarbeit der zuständigen Bundesministerien, aber auch eine Kooperation von Bund, Ländern und vor allen Dingen den verschiedenen Trägern der Hilfe. Vor diesem Hintergrund findet der Antrag der Koalition meine volle Zustimmung.



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