»Die Männer müssen umlernen»
Der aus Basel stammende, in Berlin wohnende Regisseur Dani Levy hat mit «Väter» einen Film über das Auseinanderbrechen einer jungen Familie gedreht. Im Interview spricht Levy über moderne Vaterrollen und neue Ansprüche an Paare mit Kindern.
 
Der arbeitende Mann in ihrer Geschichte ist immun gegen die familiären Bedürfnisse seiner ebenfalls berufstätigen Frau - bis sie ihn samt Kind verlässt. Stellen sich Männer und Frauen das familiäre Zusammenleben wirklich so verschieden vor?
 
Dani Levy: Frauen kennen die Doppelbelastung Kind und Beruf ja bereits seit längerem. Aber Männer haben sich eigentlich in ihrer Berufsorientierung und in ihrer Freizeitgestaltung mit den Kindern kaum verändert. Insofern wussten die Frauen, was sie von den Männern erwarten konnten. Nämlich, dass sie sich vor allem um die Arbeit kümmern und für die Familie nicht wirklich Verantwortung tragen - ausser im materiellen Sinn.
 
Daran hat sich nichts geändert?
 
Levy: Meiner Meinung nach ist es eine relativ neue Entwicklung, dass sich eine zunehmende Anzahl Männer bereit erklärt, die bisher mütterliche Seite der Arbeitsteilung zu übernehmen. Das heisst, von der männlichen Seite her verändert sich etwas.
 
Und weshalb sollen sich dabei Probleme in der Beziehung ergeben?
 
Levy: Ich habe das Gefühl, dass auch viele Frauen heute mit der Doppelfunktion Mutter/Arbeit gestresst sind. Und gerade deswegen den Anspruch auf einen «wirklichen» Partner erheben, um diese Doppelbelastung tragen zu können. Dieser Partner soll dann eben auch Abstriche in seinem Beruf machen. Viele Männer sind dazu nicht bereit. Viele haben auch gar kein Bedürfnis, viel Zeit mit ihrem Kind zu verbringen.
 
Das heisst, dass vor allem die Männer in modernen Beziehungen dazulernen müssen?
 
Levy: Es gibt natürlich auch Frauen, die in der klassischen Mutterrolle glücklich sind und gar nicht mehr wollen. Und dann gibt es die Frauen, die Kinder haben und arbeiten wollen und Freizeit und Zeit für sich selbst beanspruchen. Frauen, die an ihr Leben den berechtigten Anspruch stellen, glücklich zu sein. Sie wollen nicht alles nebeneinander managen, sondern auch in einer Situation sein, in der sie kein schlechtes Gewissen zu haben brauchen und aufleben können.
 
Und die Zahl dieser Frauen nimmt zu, vermutlich.
 
Levy: Offensichtlich haben Frauen ein steigendes Bedürfnis nach Ruhe und Selbstverwirklichung - ich kann das mittlerweile auch gut verstehen. Ich verbringe viel Zeit mit meiner Tochter und weiss, dass es ein sehr anstrengender Job ist, Kinder grosszuziehen. Ich hatte das völlig unterschätzt. Das muss ich ehrlich zugeben. Dazu kommt, dass die Ansprüche an berufliche Erfüllung und Freizeit allgemein gestiegen sind. Das lässt sich letzten Endes nur durch Kompromisse realisieren. Der Tag hat nun mal nur 24 Stunden.
 
Wirken sich solche Kompromisslösungen hemmend auf die Karriere aus?
 
Levy: Hemmend würde ich nicht sagen, aber vielleicht ein Stück weit abbremsend. Wobei ich lustigerweise sagen muss, dass ich in den letzten 12 bis 18 Monaten, in denen ich sehr viel Zeit mit meiner Tochter verbracht habe, fast mehr gearbeitet habe als vorher. Ich habe Aufteilung und Nutzung der Zeit merklich verbessert. Aber natürlich muss ich mit mir auch ringen.
 
Inwiefern?
 
Levy: Ich schreibe momentan an einem Drehbuch und würde gerne weiterschreiben. Doch die Verpflichtungen für «Väter» beanspruchen mich - und die verbleibende Zeit verbringe ich mit meiner Tochter. Jetzt muss ich das Drehbuch eben ein paar Wochen verschieben. Aber es kann gut sein, dass ich dann schneller vorwärts komme.
 
In «Väter» scheitern die angestrebten Kompromisse, es kommt zur Trennung und zu Streitigkeiten - die Sie sehr dramatisch darstellen.
 
Levy: Ich habe eine dramatisierte Form einer Trennung verfilmt, die leider sehr realistisch und verbreitet ist. Menschen trennen sich oft im Unfrieden. Dieser ganze Prozess ist dann so irrational und durch Emotionen bestimmt, dass man sich am Ende mit Anwälten gegenübersteht oder dass man die Polizei ins eigene Haus kommen lässt, um das Kind zu holen. Das ist so krank, so unvorstellbar - und doch so realistisch. Das hat mich interessiert. Ich wollte mich diesen Leuten widmen. Auch aus meiner eigenen Geschichte heraus.
 
Dabei spielt der «richtige» Zeitpunkt für Sie eine ebenso grosse Rolle wie die «richtigen» Worte?
 
Levy: Ich habe mich gefragt, wann ich in meinen 44 Jahren Momente in Beziehungen erlebt habe, die absolut «out of timing» waren. Wo man sich total verpasst mit den Beziehungsangeboten, die man dem anderen macht, völlig aneinander vorbeiredet und vorbeifühlt und sich nur ständig weiter verletzt, nur die eigene Verletzung sieht und nicht fähig ist, miteinander eine positive Lösung zu finden, mindestens für ein paar Wochen oder Monate. Vielleicht auch Jahre.
 
Den vielen Menschen, die das selbst erlebt haben, ist der Film gewidmet. Ich glaube, es gibt immer eine Lösung. Es darf einfach nicht sein, dass man sich um ein Kind streitet. Das ist für mich ein absolutes Tabu. Ein Vater und eine Mutter gehören beide zum Kind und ein Kind gehört zu Vater und Mutter - immer vorausgesetzt, der Vater hat überhaupt ein Interesse daran, sein Kind weiterhin zu sehen und bezahlt regelmässig Unterhalt.
 
Sie wollten zeigen, wie man sich auf keinen Fall trennen sollte?
 
Levy: Man kann sich auch mit Verzweiflung und Wut trennen. Das ist o.k. Eine Trennung muss nicht vernünftig über die Bühne gehen. Ich bin aber der Meinung, man muss es austragen. Kinder sind sensibel. Sie kriegen Spannungen genau mit. Unausgesprochene Konflikte sind da das schlimmste.

Interview: Christian Flückiger

Dani Levy im Gespräch: 8. November, 20.30-Uhr-Vorstellung, Kino Scala 2 St.Gallen. Moderation: Bettina Spoerri.
 
person
 
Dani Levy
Dani Levy hatte schon als Clown, als Akrobat, als Rockgitarrist und Theaterschauspieler gearbeitet, bevor er 1985 sein Filmregie-Debüt vorlegte, für das er gleich einen Preis auf dem Komödienfestival in Vevey erhielt. Für «RobbyKallePaul» konnte er den Publikumspreis des Max-Ophüls-Festivals 1989 entgegennehmen. Der letzte grössere Levy-Film, der bei uns in den Kinos zu sehen war, war «Meschugge» (1997), in dem die Nazivergangenheit einer Familie aufgedeckt wird. (bsp)

09.11.2002 St.Galler Tagblatt

www.tagblatt.ch/kultur.cfm?pass_id=713585