Brief von D. Grindlay an den EU-Kommissar für Inneres
24.10.2002

An:
Senor Antonio Vittorino
Kommissar für Inneres
Europäische Kommission
Brüssel
 

23 Charnwood Avenue
Sutton Bonington
Loughborough
LE12 5NA
UK

Tel: 01509 672234

24. Oktober 2002

Sehr geehrter Señor Vittorino,

UMGANG MIT KINDERN VON AUSLÄNDISCHEN STAATSANGEHÖRIGEN IN DEUTSCHLAND

Ich schreibe, um mich zu beschweren über die Verletzung meiner Menschenrechte und der unzähliger anderer Eltern, die daran gehindert werden, ihre Kinder in Deutschland zu besuchen. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie kürzlich vorgeschlagen haben, die EU solle die Europaratskonvention zum Kindesumgang übernehmen, aber ich muss leider sagen, dass die vorgeschlagenen Massnahmen nicht einmal innerhalb der EU selbst funktionieren, jedenfalls was Deutschland anbelangt. Ähnliche Probleme sind offenbar auch in Österreich und Schweden aufgetreten.

Für ausländische Eltern gibt es ein anhaltendes Problem der Verhinderung von Umgang mit ihren Kindern in Deutschland, mit häufigen Behinderungen sowohl durch den deutschen Elternteil als auch durch die deutschen Behörden, insbesondere durch die Jugendämter. Viel Aufmerksamkeit erregen zur Zeit in nahöstliche Staaten entführte Kinder, deren Umgang mit ihrem ausländischen Elternteil verhindert wird, aber es ist erschreckend, dass etwas ähnliches in einem Partnerland innerhalb der EU passiert, ohne dass es einen offiziellen Aufschrei gibt.

Ich habe am Ende dieser E-Mail eine Zusammenfassung meines Falles dargelegt. Ich lege ebenfalls Briefe bei, die ich dem schleswig- holsteinischen Justizministerium in Kiel (welches die Verantwortung für das in meinem Fall zuständige Jugendamt trägt) und an Dr. Horst Heitland vom deutschen Justizministerium in Berlin geschrieben habe. Dies wird Ihnen einen Eindruck davon geben, was passiert. Ich habe eine Liste von Webseiten zum Thema, welche ich Ihrem Büro gern zukommen lassen würde.

Bei Sorgerechtsentscheidungen sind deutsche Gerichte offenbar der Ansicht, es komme nicht darauf an, welcher Partner Hindernisse aufbaut und unkooperativ ist - sie erteilen das Sorgerecht dennoch dem deutschen Partner (fast immer die Mutter) und verhindern den Umgang mit der Begründung, dieser sei gegen das Kindeswohl. Das bedeutet, dass ein deutscher Elternteil allen Grund hat, den Umgang eines Ex-Partners mit dem Kind zu verhindern und von vornherein unkooperativ zu sein, da er dann das Sorgerecht erhalten wird und in der Lage sein wird, den Ex-Partner am Besuchen des Kindes zu hindern. Dies geschieht, weil deutsche Gerichte ihre eigenen Umgangsregelungen nicht durchsetzen, etwa mit Geld- oder Gefängnisstrafen als Sanktion bei Nichtbefolgung. Und in einigen Fällen erteilen die deutschen Gerichte überhaupt kein Besuchsrecht (so im bekannten Fall von Lady Catherine Meyer).

Ausserdem scheint es, dass die deutschen Behörden (d.h. Jugendämter) mit den deutschen Elternteilen konspirieren, indem sie nicht auf Briefe und Beschwerden antworten. Nachdem Zeit vergangen ist, empfehlen sie dann, dass der ausländische Elternteil nicht das gemeinsame Sorgerecht haben sollte, weil er oder sie das Kind so lange nicht gesehen hat (ein Teufelskreis), und sie heben bestehende Gerichtsurteile auf.

In meinem eigenen Fall habe ich versucht zu kooperieren, indem ich - solange ich vollzeit arbeitete - Unterhalt bezahlt habe, aber ich konnte meinen Sohn trotzdem weder sehen, noch auch nur grundlegende Informationen über seinen Aufenthaltsort und seine Fortschritte erhalten. Jetzt scheint es, als könnte ich mein Sorgerecht verlieren (nicht dass es mir irgend einen Nutzen gebracht hätte). Einige Eltern weigern sich, Unterhalt zu zahlen, solange sie nicht vollen Umgang und vollständige Informationen von den Jugendämtern und deutschen Gerichten erhalten, aber dann riskieren sie eine Verhaftung, wenn sie versuchen, nach Deutschland zu kommen. Dies ist für die ausländischen Elternteile wiederum eine Situation, in der sie nicht gewinnen können.

Scheidung und das Zerbrechen einer Familie sind immer schmerzhaft für Eltern, aber sie sind noch schmerzhafter, wenn Ihr Kind in ein anderes Land entführt wird. Wenn die Behörden im betroffenen Land anscheinend mit dem Ex-Partner konspirieren, um den Umgang zu verhindern, Ihnen in einer fremden Sprache schreiben und sich weigern, Informationen zu geben oder Briefe zu beantworten, dann wird der Schmerz unerträglich. Und wenn dann noch strenge Unterhaltsforderungen mit zweiwöchigen Antwortfristen von den Jugendämtern eintreffen, so verstärkt dies die Beleidigung und die Verzweiflung. Ich dachte, mein Fall sei der einzige dieser Art, aber in den letzten beiden Monaten ist mir dank Nachforschungen im Internet klar geworden, dass es ein gemeinsames Muster in buchstäblich Hunderten von Fällen von ausländischen Eltern mit Kindern in Deutschland gibt. Ich habe Glück, dass ich deutsch sprechen kann und gebildet bin, so dass ich Briefe schreiben kann und Schritte bei den Behörden unternehmen kann. Aber viele ausländische Eltern fühlen sich absolut hilflos, und einige haben sogar Selbstmord begangen.

Zwar scheint es, als gäbe es jetzt viel weniger Probleme mit der sofortigen Rückkehr entführter Kinder aus Deutschland nach dem Haager Abkommen, aber dafür gibt es das viel verbreitetere und heimtückischere Problem der Verhinderung des Umgangs von ausländischen Eltern mit ihren Kindern in Deutschland. Mir ist kein ausländischer Elternteil bekannt, der regelmässige normalisierte Kontakte mit seinem Kind oder seinen Kindern in diesem Land hatte. Doch der Artikel 21 der Konvention verweist auf "die tatsächliche Ausübung des Umgangsrechts" und besagt: "Die Zentralbehörde hat aufgrund der in Artikel 7 genannten Verpflichtung zur Zusammenarbeit die ungestörte Ausübung des Umgangsrechts ... zu fördern ... Die Zentralbehörde unternimmt Schritte, um soweit wie möglich alle Hindernisse auszuräumen, die der Ausübung dieses Rechts entgegenstehen."

Neben der Haager Konvention gibt es auch die EU-Verordnung 1347/2000 (Brüssel II) über die Anerkennung von Sorge- und Besuchsrechtsurteilen, die als Teil einer Scheidung in anderen EU-Ländern gefällt wurden. Und natürlich gibt es den Artikel 24 der Menschenrechtserklärung. Dieser wird in diesen Fällen klar verletzt. Es gibt mehrere Probleme: Der Aufenthaltsort von Kindern wird von den Jugendämtern geheimgehalten; Besuche werden routinemässig behindert; Wo Umgang stattfindet, dauert er nur kurze Zeit und findet unter Aufsicht / Bewachung des Jugendamtes statt; Briefe oder Telefon-Anrufe werden von den deutschen Behörden routinemässig nicht beantwortet. Die deutschen Behörden neigen dazu, die Verfahren so lange wie möglich hinauszuzögern; und - vielleicht am wichtigsten - es fehlt eine Aufsicht und Kontrolle der Jugendämter und Gerichte durch die Bundesregierung und durch die Länderregierungen, wie mein eigener Briefwechsel mit dem deutschen Justizministerium in Berlin hervorgehoben hat. Auch scheint es, dass das Elterliche Entfremdungssyndrom (PAS) in diesen Fällen weit verbreitet ist. Eine Reihe deutscher Väter hat bereits Verfahren gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewonnen, wegen Verletzung ihrer Menschenrechte in Bezug auf den Umgang mit ihren Kindern (siehe oben genannte Links), aber dies scheint keine Veränderungen im deutschen System bewirkt zu haben.

Jetzt versuchen mehrere nicht-deutsche Eltern (z.B. aus Frankreich und Südafrika) mit ähnlichen Problemen alle Rechtsmittel und Rekursinstanzen in Deutschland auszuschöpfen, damit auch sie zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen können. Das AIRE-Zentrum in London hat mich schon beraten, dass mein Fall gut ist im Hinblick darauf, dass meine eigenen Menschenrechte verletzt wurden. Aber ich habe kein Geld, um die nötigen rechtlichen Schritte zu unternehmen, die ich nach Meinung dieses Zentrums unternehmen müsste, damit es dann seinerseits aktiv würde. Ich spüre allmählich immer mehr britische Eltern auf, die am Umgang mit ihren Kindern in Deutschland gehindert werden, aber es ist schwierig, da viele von ihnen nicht wissen, an wen sie sich um Hilfe wenden sollen, und da ihre Fälle keine offizielle Aufmerksamkeit erhalten. Ich denke, dass viele aus Frustration und Erschöpfung einfach aufgegeben haben. Ich tue was ich kann, um auf das Problem aufmerksam zu machen und um Informationen über Quellen von Hilfe und Rat im Vereinigten Königreich zu verbreiten.

Ich sende eine Kopie dieser E-Mail an die Abgeordneten Herrn Kenneth Clarke, Herrn Keith Vaz und Herrn Bill Cash, an den Europaabgeordneten Herrn Phillip Whitehead und an Frau Debbie Beynon vom britischen Aussenministerium, die alle Interesse an meinem Fall haben und an denen anderer betroffener Eltern.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Douglas Grindlay

Übersetzung: C. Gut

www.inf.ethz.ch/~gut/soscag/grindlay_d.txt