Europarat widerspricht BVG-Beschluss zu Menschenrechtsgerichtshof / Vize-Generalsekretärin:
Straßburger Urteile sind zu befolgen

Straßburg. Der Europarat hat der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) widersprochen, wonach deutsche Gerichte nicht zwingend an die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gebunden sind. Laut Artikel 46 der Europäischen Menschenrechtskonvention seien alle Unterzeichnerstaaten verpflichtet, die Straßburger Urteile zu befolgen, erklärte die stellvertretende Generalsekretärin des Staatenbundes, Maud de Boer-Buquicchio, am Freitag in Straßburg. Damit sei die Verbindlichkeit der Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs unzweideutig klargestellt.

Die Niederländerin reagierte auf einen am vergangenen Dienstag veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Darin hatten die Karlsruher Richter entschieden, dass deutsche Gerichte die Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs weder schematisch vollstrecken noch völlig ignorieren dürfen. Vielmehr sollten sie sie in ihre Rechtsprechung "schonend" einbeziehen, so lange das nicht gegen Verfassungsrecht verstößt. Das Grundgesetz wolle zwar die Einfügung Deutschlands in die Gemeinschaft freiheitlicher Staaten, es verzichte dabei aber nicht auf die "Souveränität" der Bundesrepublik, hieß es zur Begründung.

Der Gerichtshof für Menschenrechte hatte in den vergangenen Monaten mehrere Urteile des BVG gerügt: Im Januar gab es Betroffenen der Bodenreform in Ostdeutschland Recht, die nach der Wiedervereinigung enteignet worden waren. Im Juni stutzte das Straßburger Gericht im Streit zwischen Caroline von Monaco und der Regenbogenpresse die Pressefreiheit gegenüber dem Schutz von Prominenten an ihrem Privatleben zurück. Wiederholt hatte der Gerichtshof auch festgestellt, deutsche Sorgerechtsurteile berücksichtigten die Rechte der Väter nicht ausreichend. (afp)