Danke, Papi

Zum Vatertag erzählen Männer, wie sie ihre Rolle in der Familie sehen

Warte nur, bis Vater nach Hause kommt, drohten Mütter früher. Doch die Zeiten der Patriarchen sind vorbei.


Tim Feyerabend, 37 Jahre, Diplompsychologe und -pädagoge, kämpft verzweifelt darum, seine beiden Kinder zu sehen.

Ich hätte eher misstrauisch werden sollen, schon vor der Geburt unseres ersten Kindes. Fast ein viertel Jahr lang verschwieg Viola mir, dass sie schwanger war. Und zeigte damit, was sich später so bitter bewahrheitete: dass sie Daniel als ihren Besitz betrachtet. Beim zweiten Kind, Jessica, das gleiche Spiel. Vier Monate lang Heimlichtuerei.

Natürlich fand ich ihr Verhalten seltsam. Aber Viola ist eben ein verschlossener Mensch. Das machte einst ihren Reiz aus. Und unsere junge Familie trug damals ja auch durchaus idyllische Züge: Viele Stunden am Tag verbrachten wir gemeinsam; selten gab es Streit. Doch unausgesprochene Probleme summierten sich im Stillen, wurden lauter - und führten schließlich zum Bruch: Ich wurde Ende 1998 vor die Tür gesetzt. Jessica war gerade zwei Jahre alt geworden, Daniel dreieinhalb.

Viola ließ keinen Zweifel: Sie entzog mir die Kinder, wie sie wollte. Brach Verabredungen, versteckte sich hinter Ausreden, tat alles, um Jessicas und Daniels enge Bindung an mich zu untergraben. Verzweifelt fuhr ich immer wieder zur neuen Wohnung. Die Kinder: sehnsüchtig, fassungslos, verstört. Dann, Spätsommer 1999, die Eskalation: Für drei Stunden soll ich die Kinder bei mir haben. Sie sitzen schon im Auto. Über das Autodach hinweg ein schroffer Wortwechsel mit Viola. Sie zerrt Daniel aus seinem Kindersitz, brüllt: "Dann bleiben die Kinder eben hier!" Ich verriegele das Auto - fahre allein mit Jessica fort. Viola ruft die Polizei.

Bald kann ich unseren Kindern nur noch Fotos von der verlorenen Gemeinsamkeit in den Briefkasten werfen. Nachts träume ich, schluchzend Daniel in die Arme zu schließen, der mich schweigend tröstet. Im Stillen hebe ich wütend die Faust gegen diese Mutter, die rücksichtslos ihre Kinder in eine vaterlose Einsamkeit gestoßen hat. Könnte ich gewalttätig gegen Viola werden?

Heute kommen die Kinder alle zwei Wochen zu mir. Hart erkämpft, mit gerichtlicher Hilfe. Ämter und Kinderschutzbund versagten. Freunde und Selbsthilfegruppen sind meine einzige Unterstützung.

Viola ist ein rotes Tuch für mich geblieben. Sogar mein Frauenbild hat sich durch meine Erlebnisse gewandelt. Ich empfinde Abscheu, wenn ich junge Mütter in selbstverliebter Pose den Gehweg okkupieren sehe. Ich weiß, dass ausgegrenzte Väter zerbrechen, Alkoholiker werden, sogar Wahnerkrankungen entwickeln. Das droht mir nicht. Aber meine Kinder leiden bis heute. Sie können vom stillen Wunsch nach einer vollständigen Familie nicht lassen. Doch dieser Wunsch erscheint unerfüllbar. Am so genannten Vatertag werden sie mich nicht sehen. "Vatertag", das ist eine peinliche Institution. Besäufnisse zu Horden gruppierter lallender Männer sind für mich das Gegenteil dessen, was Vatersein bedeutet: Übernahme jener Verantwortung, die sich im engagierten, liebevollen Zusammensein mit den Kindern findet.


Ali Akkaya, 51 Jahre, Kraftfahrer, drei Kinder.

Früher haben meine Kinder jedem blauen Laster gewunken. Sie dachten, ich sitze drin. Die Wagen der Firma, für die ich arbeite, sind nämlich blau. Ich bin Lkw-Fahrer und viel unterwegs. Deshalb hatte ich manchmal wenig Zeit für die Familie. Aber wenn meine Kinder mich vermisst haben, sind sie nachmittags zu mir in die Fahrerkabine geklettert. Ich habe dann meine Touren erledigt und wir waren eine Stunde zusammen. Das haben meine Kinder geliebt. Alle drei sind hier geboren.

Als ich vor 28 Jahren nach Deutschland kam, hatte ich noch strengere Vorstellungen davon, wie Kinder erzogen werden sollten. Aber dann kamen sie in die Schule. Und da sollten sie sich integrieren, das war mir wichtig. Das geht aber nicht, wenn man sich abgrenzt. Kopftuch? Kam nie in Frage. Ich komme aus Istanbul, und da wurden Mädchen schon immer liberaler erzogen als auf dem Land. Verbote gab es bei uns nicht. Ich habe meinen Kindern einfach vertraut.

Streit gab es natürlich trotzdem. Ich erinnere mich noch an die erste Klassenfahrt meiner ältesten Tochter. Ich wusste, dass auch Jungs mitkommen. Also, da hatte ich schon Bedenken. Das kennen wohl alle Väter, nicht nur die türkischen. In solchen Fragen wurde ich aber vor vollendete Tatsachen gestellt: Meine Frau hat sowas mit den Kindern geklärt. Sie war für die Erziehung zuständig, ich habe mich nur eingemischt, wenn es wichtig war.

Ich selbst bin ja als Halbwaise aufgewachsen. Mein Vater starb, als ich zwölf war. Ich erinnere mich kaum an ihn. Meine Mutter ist dann nach Istanbul gegangen und hat uns dort alleine großgezogen. Das war für damalige türkische Verhältnisse viel! Vielleicht habe ich deshalb kein Problem mit starken Frauen. So sollen auch meine Töchter sein: unabhängig.

Nein, es gibt kein Ereignis, an das ich mich als Vater besonders gerne erinnere. Aber sehr schön waren die Wochenenden. Dann hatte ich Zeit, etwas mit den Kindern zu unternehmen: Fahrradausflüge, schwimmen, grillen. Jetzt sind meine Kinder ja schon groß: Mein Sohn ist 20, die beiden Töchter 25 und 26. Noch leben alle drei zuhause. Und wenn die Älteste heiratet, warum sollte sie ausziehen? Wir haben Platz genug, da kann ihr Mann auch noch hier wohnen.


Wilfried Voigt-Behringer, 49 Jahre, Korrespondent beim Spiegel, zwei Kinder.

Kinder haben ihre eigene Sicht der Dinge, da muss man als Vater seine oft festgefügte Meinung immer wieder in Frage stellen. Seit mein Sohn Simon da ist, bemerke ich stärker meine Unzulänglichkeiten - zum Beispiel meine Unsportlichkeit. Simon ist elf Jahre alt, ein drahtiger Kerl, der durch die Gegend fegt. Da komme ich mir oft wie ein Schlaffi vor. Deshalb haben wir letztes Jahr eine Tradition begründet: eine "Männertour". Wir sind, gemeinsam mit einer kleinen Gruppe, mit dem Kanu über die Mecklenburger Seenplatte gepaddelt, haben gezeltet, abends ein bisschen Lagerfeuerromantik - da waren wir schnell ein eingespieltes Team. Zwei Mann in einem Boot. Da musste ich unter anderem lernen, die unterschiedlichen Kräfte aufeinander abzustimmen. Jetzt bereiten wir uns auf eine Radtour vor, von Passau nach Wien.

Ich selbst bin ohne Vater aufgewachsen. Der war französischer Besatzungsoffizier und hat das Weite gesucht, als ich unterwegs war. Mir liegt deshalb sehr viel an der Nähe zu meinem Sohn, denn dieses Stück fehlt mir in meiner Biografie. Damit meine ich emotionale wie körperliche Nähe. Das fing im Erziehungsurlaub an. Ein halbes Jahr habe ich mich ausgeklinkt Anfang der 90er Jahre, übrigens finanziell ein herber Einschnitt. Aber ich möchte diese Zeit nicht missen. Morgens der Hausfrauenparcours mit dem Kinderwagen an bestimmte Plätze, an denen du schnell Kontakt bekommst, vor allem zu Müttern. Dann die Alltagsgeschichten, die man zusammen mit den Kindern erlebt. Und die Ängste, etwas falsch zu machen. Als ich Simon nach dem Erziehungsurlaub in die Krippe eingewöhnen musste, habe ich ein total schlechtes Gewissen gehabt: Du bist ein mieser Kerl, diesen armen Wurm in fremde Hände abzugeben.

Ich hoffe, dass ich Nina, 18, und Simon mit meiner gelegentlichen Gluckenhaftigkeit nicht überfordert habe. Ich bin froh, wie nah die Kinder einander sind. Sie mögen sich sehr. Obwohl Nina unterdessen ihre eigenen Wege geht, hilft sie Simon etwa bei den Hausaufgaben und lässt ihn sogar - ein Privileg - in ihrem Zimmer fernsehen.

Das Schlimmste am Erziehungsurlaub? Dass ständig Journalisten kamen, die über mich als eine Art Musterbeispiel berichten wollten. Meine Partnerin fand das das Allerletzte, weil sich natürlich niemand dafür interessiert hat, was sie alles für die Familie tut, und zwar ganz selbstverständlich.

Ganz Hausmann zu sein, ist keine Wunschvorstellung von mir. Die meiste Hausarbeit ist doch ätzend. Du kannst ja nicht nur den netten Papa spielen, der mit den Kindern Halli-Galli macht, und den Rest den Domestiken überlassen.


Cyrus Sayehli, 34 Jahre, Medizinstudent, zwei Töchter.

Nein, als Hausmann würde ich mich nicht bezeichnen. Der Begriff ist ebenso negativ wie "Hausfrau". Noch nie hat jemand zu mir gesagt: "Toll, dass du das machst." Stattdessen reagieren die Leute mit dezentem Schweigen. Oder schlimmer - meine Eltern und auch einige Freunde nehmen mich beiseite und sagen: "Du musst jetzt mal dein Studium zu Ende machen, sonst wird das nie mehr was." Bei uns hat sich das einfach so ergeben: Meine Frau war früher fertig mit ihrem Studium und arbeitet inzwischen ganztags. Ich habe nebenbei als Krankenpfleger gearbeitet, vor kurzem meine Doktorarbeit geschrieben, muss noch das PJ machen und betreue meine beiden Töchter. Es ist toll, die Welt mit den Augen von Kindern zu sehen, ihre Bücher zu lesen, mit ihnen zu spielen. Und unsere beiden sagen jetzt schon richtig kluge Sachen. Ich glaube, Väter sind lässiger in der Erziehung. Männer haben keinen Putzteufel. Bei mir muss es nicht unbedingt ordentlich sein, und das Essen muss nicht jeden Tag super schmecken. Aber ich biete den Kindern ein Zuhause, in dem sie sich wohlfühlen und ausleben können. Hausarbeit in diesem Sinn verdient eine viel höhere Wertschätzung.

Ich denke nicht, dass ich wegen der Kinder auf etwas verzichtet habe. Bis ich 23 war, habe ich Reisen und Partys zur genüge erlebt. Natürlich macht man mit Kleinkindern keine Weltreise, natürlich habe ich Abstriche bei meiner Karriere gemacht. Wenn unsere jüngere Tochter in die fünfte Klasse kommt, ist wieder Zeit dafür. Aber ich weiß nicht, ob ich gegen jüngere Kollegen Chancen habe mit meinem Lebenslauf. Ob es den Chefarzt beeindruckt, dass ich jahrelang eine ganze Familie organisiert habe? Das heißt bei zwei Kindern: totale Umstellung, jahrelang weniger als sechs Stunden Schlaf, eine große Verantwortung und die Bereitschaft, sich erziehen zu lassen. Ich weiß, dass ich es richtig gemacht habe, denn ich wollte nie so ein Hausherr sein, der nach der Arbeit noch ein kurzes Machtwort spricht, seine Pantoffeln anzieht und dann vor dem Fernseher wegdämmert. Ich bin überzeugt davon, dass wir Männer das Familienleben endlich in die Hand nehmen müssen: Das wäre unsere Emanzipation. Aber mein soziales Ego leidet doch. Ich habe keine Vorbilder, kein gesellschaftlich anerkanntes Modell, nach dem ich mich richten kann. Wenn meine Frau ihre Visitenkarte überreicht und ich daneben stehe, ernte ich komische Seitenblicke. Oder wildfremde Leute raten mir mitleidig, ich müsse jetzt beruflich endlich mal Gas geben.


Friedel Rausch, 61 Jahre, Fußballtrainer bei Eintracht Frankfurt, Vater von zwei Söhnen.

Ich muss wohl zugeben, dass ich kein guter Vater bin. Ständig bin ich unterwegs, in meinem Leben musste ich 15mal umziehen. Oft habe ich die Familie allein gelassen, wenn ich wieder einen neuen Arbeitgeber gefunden hatte. Und wenn meine Frau und die Kinder mir folgten, dann war das sehr aufwändig. Unser jüngster Sohn wechselte beispielsweise neunmal die Schule. Sicherlich hätte ich auch Angebote von Vereinen in Nachbarstädten annehmen können, damals, als wir noch im Ruhrgebiet wohnten, aber das ließ mein Ehrgeiz nicht zu. Ich wollte in der höchsten Liga arbeiten, das Knistern in ausverkauften Stadien spüren, den Jubel von Zehntausenden nach einem entscheidenden Tor hören. Also arbeitete ich in Istanbul, Athen und Luzern - und meine Frau, mit der ich inzwischen 38 Jahre lang verheiratet bin, erzog die Kinder. Sie hat versucht, ihnen immer das Gefühl von Geborgenheit zu geben. Es ist ihr wirklich gut gelungen. Feine Kerle, die beiden. Ein Sohn arbeitet heute als Produktmanager, einer ist im Verlagswesen tätig. Die beiden haben fürs Leben das gelernt, was auch ich ihnen beibringen wollte. Mit beiden Beinen auf dem Boden stehen, sich selbst treu bleiben. Wenn ich Hunger auf eine Bratwurst habe, dann esse ich sie auch in einem feinen Lokal. So ist meine Familie.

Ich bin kein romantischer Vater, der Kindern im Bett Märchen vorliest oder mit ihnen die Eisenbahn aufbaut. Bei mir musste früher und muss heute ständig etwas passieren, ich muss mich bewegen, es muss aufregend sein. Fußball im Garten, das war klasse. Wir haben oft stundenlang gekickt, weil die Kinder mich ja so selten sahen. Auch Kartenspiele fand ich spannend oder Gesellschaftsspiele. Aber Hänsel und Gretel vorlesen - lieber nicht.

Vor anderthalb Jahren haben wir unseren Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz verlegt. Die Kinder sind jetzt selbstständig, meine Frau und ich leben in Horw, einem kleiner Ort am Vierwaldstäter-See. Das Haus ist geräumig, bietet einen Blick auf die Berge. Das Leben sollte ruhiger werden. Aber sehr schnell vermisste ich den Fußball, vielleicht auch, weil ich im Haushalt keine Hilfe bin. Ich weiß nicht, wie man eine Spülmaschine einräumt oder wie viel Pulver ich in die Kaffeemaschine füllen sollte. Einmal wollte ich Rasen mähen, bin aber mit dem Rasenmäher gleich eine Böschung hinab gestolpert.

Auch wenn ich also keine große Stütze bin, habe ich mich in der Familie immer wohl gefühlt. Ich habe gearbeitet, um meiner Frau und den Kindern einen ordentlichen Lebensstandard bieten zu können. Das habe ich geschafft. Und die Söhne sahen mich oft im Fernsehen, bemerkten, wie ich mich in der Öffentlichkeit behauptete, das gab ihnen Selbstvertrauen.

Der Beruf war nie ein Vorwand, um vor der Familie zu flüchten. Denn ich liebe meine Familie über alles. Sie ist das Wichtigste in meinem Leben. Ich freue mich riesig, wenn ich zum Vatertag - wie in der Vergangenheit - von meinen Söhnen auch in diesem Jahr eine Flasche Grappa oder Whiskey geschenkt bekomme. Für die Familie auf Fußball zu verzichten, würde mir trotzdem schwer fallen. Klar, wenn es sein müsste, dann würde ich es sofort tun. Aber jetzt ist die Zeit noch nicht gekommen, deshalb werde ich weiter in Frankfurt arbeiten. Die ganze Familie, vor allem meine Frau, haben glücklicherweise Verständnis für meine Entscheidung.


Gerhard Kahlke, 51 Jahre, EDV-Abteilungsleiter, vier Kinder.

Als ich klein war, habe ich nie Männer gesehen, die einen Kinderwagen geschoben haben. Oder im Sandkasten mit ihren Kindern spielten. Ich mach' das gerne. Ich könnte mir sogar vorstellen, Erziehungsurlaub zu nehmen. Dann würde ich auf den Spielplatz gehen und mit den Müttern schwätzen. Aber ich verdiene einfach mehr als meine Frau. Deshalb ist sie zuhause bei unseren zwei Kindern geblieben. Ich nehme mir aber sonst viel Zeit für die Familie.

Das war nicht immer so. Mit meiner ersten Frau hatte ich auch zwei Kinder. Die beiden habe ich oft tagelang nicht gesehen. Morgens bin ich ganz früh los und abends kam ich manchmal so spät zurück, dass sie schon im Bett lagen. Ich war Workaholic, daran ist die Ehe schließlich zerbrochen. Vor zehn Jahren haben wir uns scheiden lassen.

Dann bekam ich eine zweite Chance: Ich lernte meine heutige Frau kennen. Als sie schwanger wurde, habe ich mir gesagt: Diesmal mach ich's anders. Jetzt bin ich für die Kinder da. Meine Frau arbeitet auch wieder, erstmal halbtags. Seitdem bringe ich die Kinder jeden Morgen zum Kindergarten. Ich mache Frühstück und ziehe sie an. Für eine Stunde haben wir dann unsere eigene, geheime Welt, die meine Frau nicht kennt. Die wundert sich, wenn ich daran denke, der Kleinen regelmäßig die Haare zu kämmen.

Den Vatertag feiern wir alle zusammen: Meine vier Kinder verstehen sich auch untereinander richtig gut, trotz des Altersunterschieds. Die Großen sind ja schon 18 und 20, die beiden Kleinen drei und fünf. Das ist eine ganz schöne Bandbreite: Mit den einen spiele ich Kasperle, mit den anderen gehe ich auf Konzerte. Mein Sohn spielt in einer Punk-Band - ich mag nicht alle Stücke, aber ich hör' mir das an.

Ich glaube, früher waren die beiden Älteren manchmal böse auf mich. Dann waren sie am Telefon ganz kurz angebunden, richtig frostig. Ich war darüber traurig und habe versucht, ihnen die neue Situation nach der Scheidung zu erklären. Aber das ist für Kinder schwer zu verstehen. Heute habe ich zum Glück zu allen Vieren ein gutes Verhältnis. Meine große Tochter zum Beispiel kuschelt immer mit mir, wenn sie zu Besuch kommt. Da weiß ich dann wieder, warum ich so gerne Vater bin. Oder letztens hat meine Kleine morgens zu mir gesagt: Ich will das Sweatshirt anziehen, das so grau ist wie deine Haare. Das geht dann runter wie Öl.


Helmut Taylor, 56 Jahre, Importeur von englischer Kunst, zwei Söhne.

Seit drei Jahren lebe ich von meiner Frau getrennt, vor einem halben Jahr haben wir uns scheiden lassen. Wir haben uns am Anfang viel gestritten, auch um unsere beiden Söhne. Wer darf wann wen sehen... Aber die Söhne haben gesagt, dass sie uns beide haben wollen. Da wurde uns klar, dass unsere Trennung nicht die Trennung von unseren Kindern bedeuten darf. Seither wohnen meine Söhne von Montag bis Donnerstag bei mir. Das klappt sehr gut, weil meine Frau und ich sehr ähnliche Ansichten über Erziehung haben. Vielleicht verkörpere ich ein bisschen mehr den intellektuellen Part. Ich möchte meine Söhne zu selbstständigen, selbstbewussten Menschen erziehen, die andere in deren Eigenständigkeit respektieren. Das lebe ich meinen Söhnen vor, indem ich ihren Standpunkt, ihre Wünsche und Bedürfnisse wahrnehme und berücksichtige. Ich möchte ihnen ein gutes Vorbild sein, ihnen christliche und demokratische Werte vermitteln. Das Vorbild ist ein wichtiger und greifbarer Lehrmeister. Ich bin ein sehr bewusster Vater und sicherlich auch ein emotionaler. Das hat mich die Sehnsucht gelehrt, die ich empfinde, wenn meine Kinder nicht bei mir sind. Es ist für mich zum Beispiel selbstverständlich, dass meine Söhne emotionale und körperliche Wärme von mir brauchen und mir auch geben. Gerade diese bedingungslose, unschuldige Liebe von Kindern bedeutet für mich das Glück. An der Freizeitgestaltung meiner Söhne beteilige ich mich aktiv: Judo, Turnen Zoo und vieles mehr. Meistens helfe ich ihnen bei den Hausaufgaben, und während der täglichen Autofahrt zur Schule üben wir Mathe und Silbentrennung. Bei Geschäftsverhandlungen habe ich sie auch manchmal dabei, so dass sie die Kunden und das Geschäft kennen lernen.

Mein erster Sohn wurde geboren, als ich 47 Jahre alt war und Jugend, Sturm und Drang hinter mir lagen. Heute bin ich ein kontrollierter Typ, eher cool als kühl. Ich möchte meinen Söhnen beibringen, dass es wichtig ist, sich und die Dinge unter Kontrolle zu haben, nach dem Grundsatz: "Alles, was man nicht kontrollieren kann, birgt potenziell Gefahr für Leib und Seele." Denn gibt es einen Flecken in Deutschland, wo die Rechtsstaatlichkeit nicht greift? Dennoch sind Begriffe wie Freiheit und Chaos mit zu berücksichtigen. Wissen, dass wir nicht alles wissen, doch die Notwendigkeit verspüren, alles zu tun, um es dennoch zu verstehen - für das Gemeinwohl. Es ist für mich schön, in meinen Söhnen mein eigenes Leben widergespiegelt zu sehen, zum Beispiel wenn sie mal aufbrausend sind, mal etwas Geschehenes verleugnen - genau, wie ich es auch von mir kenne. Die naturgegebene Liebe zu meinen Söhnen rückt mich in eine unmittelbare Nähe zu ihnen. Daraus lerne ich sie im kleinsten Detail kennen. Ich will sie beschützen und in ihre eigene Zukunft hinein sicher begleiten und erlebe sogar gleichzeitig flüchtige Erinnerungen an mich selbst. Hier lebt die Liebe, die Freude und das Glück.


Bauarbeiter in Frankfurt, 20 bis 50 Jahre, viele Kinder.

Erster Bauarbeiter: Ob ich Kinder habe? Klar, zwei Stück.

Magazin: Sehen Sie die jeden Abend, oder...

Erster Bauarbeiter: Klar. Ich bin nicht auf Montage. Das würde ich nicht machen. Wenn du hier schaffst, bis du froh, wenn du im eigenen Bett schlafen kannst.

Magazin: Und froh, die Kinder zu sehen?

Erster Bauarbeiter: Warum willsten das wissen?

Magazin: Für die Zeitung. Wir machen eine Seite über Väter.

Erster Bauarbeiter: Klar. Da vorne, der im roten Hemd. Der hat auch Kinder. Frag' den.

Zweiter Bauarbeiter: Was? Kinder? Drei, warum?

Magazin: Und was machen Sie am Vatertag?

Zweiter Bauarbeiter: Da gehe ich auf dem Dorf einen trinken, warum?

Magazin: Sind Sie auf Montage?

Zweiter Bauarbeiter: Ja, fast immer.

Magazin: Dann sehen Sie Ihre Kinder während der Woche selten.

Zweiter Bauarbeiter: Die Kinder? Warum?

Magazin: Weil Sie dann nie zu Hause sind.

Zweiter Bauarbeiter: Na ja... Willst du das drucken?

Magazin: Ja, auf einer Seite über Väter, zum Vatertag.

Zweiter Bauarbeiter: Über Väter? Wer liest denn sowas?

Magazin: Vermissen Sie Ihre Kinder oft?

Zweiter Bauarbeiter: Och nee, mach mal deine Seite ohne mich. (Schreit) Hier, der ist von der Zeitung. Wer von euch hat Kinder? (Mehrere Bauarbeiter schauen herüber) Der da drüben am Mischer, der kommt aus Polen, der hat auch Kinder.

Betonmischer (guckt verlegen zu den anderen Bauarbeitern, die zu lachen anfangen): Was gibt's?

Magazin: Guten Tag, Sie sind doch Vater. Wie viele Kinder haben Sie denn?

Betonmischer: Zwei. Die leben mit meiner Frau in Polen.

Magazin: Ihre Kinder vermissen Sie bestimmt oft.

Betonmischer: Ja, die sind noch sehr klein, aber sind sehr lieb zur Mutter.

Magazin: Und wie ist das für Sie. Sie müssen Ihre Kinder ja auch sehr vermissen?

Betonmischer: Vermissen? Also... kommt das denn in die Zeitung?

Magazin: Ja, wenn Sie wollen...

Dritter Bauarbeiter: Dann will ich lieber nix sagen.

Magazin: Nur ein bisschen, dauert auch nicht lange.

Dritter Bauarbeiter (grinst zu den anderen herüber und sagt tatsächlich nichts mehr. Vierter Bauarbeiter kommt vorbei).

Magazin: Darf ich Sie mal...

Vierter Bauerbeiter: Weiß schon. Zeitung. Irgendwas über Vatertag.

Magazin: Genau.

Vierter Bauarbeiter: Was brauchste denn?

Magazin: Wir unterhalten uns ein bisschen über Ihre Kinder und wie das so ist für Sie als Vater auf Montage.

Vierter Bauarbeiter: Was soll schon sein?

Magazin: Dass Sie Ihren Kinder fehlen zum Beispiel.

Vierter Bauarbeiter: Keine Ahnung. Ich muss weiter arbeiten.

Magazin: Jetzt komm' schon, wir würden dann auch ein Foto machen...

Vierter Bauarbeiter: Von mir? Na super. Komm vorbei, wenn ich mal Zeit habe...

Magazin: Und wann ist das?

Vierter Bauarbeiter: Siehste doch. Nie!

Am kommenden Donnerstag ist Vatertag.

Tausende Männer, nicht nur Väter, werden dann wieder in Gruppen übers Land ziehen - oder in die nächste Kneipe. In den USA, wo der Vatertag ins Leben gerufen wurde, ist das anders. Dort wird der Tag im Kreise der Familie gefeiert. 1974 machte US-Präsident Richard Nixon ihn zum offiziellen Feiertag. Zurück geht die Tradition auf eine Bewegung zur Ehrung von Vätern, die nach dem Sezessionskrieg (1861 bis 1865) ins Leben gerufen wurde. In Deutschland wird der Vatertag erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts gefeiert, hier fällt er jeweils auf den Himmelfahrtstag. Andere Länder begehen ihn am zweiten oder dritten Sonntag im Juni. Nirgends hat er eine ähnlich starke Bedeutung wie der Muttertag.
 

19.05.2001
Frankfurter Rundschau