Bundesverfassungsgericht
stärkt Rechte leiblicher Väter
Karlsruhe (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht
hat das Recht leiblicher, aber rechtlich nicht anerkannter Väter gestärkt,
Kontakt zu ihren Kindern zu pflegen. Auch wenn ein Mann vor dem Gesetz
nicht als Vater des Kindes gilt - zum Beispiel, weil die Mutter mit einem
anderen Mann verheiratet ist - kann er ein Umgangsrecht mit seinem Kind
erstreiten.
Voraussetzung ist, dass dies dem Wohl des
Kindes dient und der leibliche Vater zumindest eine Zeit lang eine familiäre
Beziehung zu seinem Kind unterhalten hat, heißt es in einem am Dienstag
veröffentlichten Beschluss. In einem zweiten Fall hat das Gericht
leiblichen Vätern in Ausnahmefällen die Feststellung ihrer Vaterschaft
erleichtert. (Aktenzeichen: 1 BvR 1493/96 u. 1724/01 - Beschluss vom 9.
April 2003)
Nach den Worten des Ersten Senats gilt
der Schutz der Familie im Grundgesetz für leibliche Väter, die
tatsächlich Verantwortung für das Kind getragen haben. Die Karlsruher
Richter gaben damit dem Vater eines inzwischen 14-jährigen Mädchens
Recht. Er hatte das Kind mit einer verheirateten Frau gezeugt, es in den
ersten drei Lebensjahren regelmäßig betreut und Unterhalt gezahlt.
Nach dem Ende der Beziehung kehrte sie zu ihrem Ehemann zurück, der
juristisch als Vater gilt, weil die Ehelichkeit des Kindes nicht angefochten
wurde. Dem Erzeuger der Tochter untersagte sie jeglichen Kontakt zu dem
Kind und ließ ihm sogar gerichtlich den Aufenthalt in der Nähe
der Familienwohnung verbieten.
Das Gericht erklärte mit seinem Beschluss
eine 1998 neu gefasste Vorschrift für verfassungswidrig, wonach der
leibliche, aber rechtlich nicht anerkannte Vater von vornherein vom Kontakt
mit seinem Nachwuchs ausgeschlossen ist - anders als etwa die Großeltern.
Der Gesetzgeber muss bis zum 30. April 2004 eine Neuregelung erlassen.
Entscheidend für die Gewährung
eines Umgangsrechts ist nach den Worten der Richter, dass eine «personelle
Verbundenheit» zwischen leiblichem Vater und Kind besteht. «Die
Trennung eines Kindes von einer bisherigen elterlichen Bezugsperson nimmt
ihm ein wichtiges Stück Orientierung und berührt seine Selbstsicherheit
und Selbstgewissheit.» Dies gelte umso mehr, weil ein Kind eine Trennung
schnell als endgültig empfinde. Weil jedoch Konflikte mit der neuen
Familie entstehen könnten, dürften die Familiengerichte dem Erzeuger
nur dann ein Umgangsrecht einräumen, wenn dies dem Kindeswohl
diene.
In dem zweiten Fall hat es das Karlsruher
Gericht leiblichen Vätern zudem in besonderen Ausnahmefällen
erleichtert, eine rechtliche Vaterschaft anzufechten. Dies gelte zum Beispiel
dann, wenn ein Mann die Vaterschaft zwar wirksam anerkannt hat, aber nicht
mit Mutter und Kind zusammenlebt. Eine Vorschrift, die dem leiblichen Vater
jegliches Anfechtungsrecht vorenthält, erklärte das Gericht für
verfassungswidrig.
http://www.bverfg.de
29.04.2003
http://www.pz-news.de/news/artikel.dhtml?userid=1&publikation=4&template=pzphparttext&ausgabe=1483&redaktion=1&artikel=106914632
Karlsruhe stärkt
Rechte leiblicher Väter : Männern steht Umgangsrecht mit ihren
Kindern zu
29.4.2003 Das Bundesverfassungs-
gericht hat die Rechte leiblicher Väter gestärkt. Auch wenn ein
Mann rechtlich nicht als Vater des Kindes anerkannt ist, kann er ein Umgangsrecht
erstreiten. Voraussetzung ist, dass dies dem Wohl des Kindes dient und
der leibliche Vater zumindest eine Zeit lang eine familiäre Beziehung
zu seinem Kind unterhalten hat.
Der am Dienstag veröffentlichte Gerichtsbeschluss
soll den Kontakt zwischen den leiblichen Vätern und ihren Kindern
fördern, auch wenn die Männer rechtlich nicht als Väter
anerkannt sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Mutter mit einem anderen
Mann als dem Erzeuger des Kinders verheiratet ist. Der Schutz der Familie
im Grundgesetz gelte für leibliche Väter, die tatsächlich
Verantwortung für das Kind getragen hätten, hieß es.
Alter Beschluss aufgehoben
Das Gericht erklärte mit seinem Beschluss
eine 1998 neu gefasste Vorschrift für verfassungswidrig, wonach der
leibliche, aber rechtlich nicht anerkannte Vater vom Kontakt mit seinem
Nachwuchs ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber muss bis zum 30. April 2004
eine Neuregelung erlassen.
Aktenzeichen : Az 1 BvR 1493/96 und 1724/01
Mit der Anerkennung der offiziellen Vaterschaft
erhält ein Vater umfassende Rechte und Pflichten. Nur dann kann er
etwa neben der Mutter das Sorgerecht erhalten, ist aber auch unterhaltspflichtig.
Weder die Interessen des Kindes noch die der Mutter stünden dem Recht
des Vaters entgegen, sich auch rechtlich als Vater anerkennen zu lassen,
befand das Gericht.
Zwei Väter klagten
Das Verfassungsgericht entschied zu Gunsten
zweier Männer. In dem einen Fall war das Kind in eine Ehe hineingeboren
worden, so dass der Ehemann nach dem Gesetz automatisch als Vater anerkannt
war. Biologisch entstammte das Kind jedoch einem "Seitensprung" der Mutter.
Der Geliebte der Mutter, der das Kind zeitweise auch betreut hatte, verlangte
nach dem Ende der außerehelichen Affäre ein Umgangsrecht. Im
zweiten Fall hatte die Mutter einen anderen Mann als den biologischen Vater
als Kindsvater eintragen lassen.
Mit Material von dpa, REUTERS
30.04.2003
www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/17/0,1367,HOME-0-2043569,00.html
Mehr Rechte für Bio-Väter
Im Einzelfall räumt Bundesverfassungsgericht
leiblichen, aber nicht rechtlichen Vätern Umgangsrecht ein
FREIBURG taz Das Bundesverfassungsgericht
hat in zwei Beschlüssen das Recht nichtehelicher Väter gestärkt.
Konkret ging es um Männer, die zwar biologisch, aber nicht rechtlich
als Vater gelten.
Im einen Fall hatte die verheiratete
Mutter außerhalb der Ehe eine neue Beziehung begonnen, in der auch
ein Kind entstand. Nach Ende der außerehelichen Beziehung konnte
der biologische Vater keinerlei Umgangsrecht mit seiner Tochter durchsetzen,
weil diese rechtlich als eheliches Kind gilt. Das ging Karlsruhe zu weit.
Zumindest wenn zwischen biologischem Vater und Kind eine "soziale Bindung"
bestanden hat und der Kontakt dem "Kindeswohl" dient, steht dem leiblichen
Vater auch ein Umgangsrecht zu, wurde jetzt entschieden. Der Bundestag
muss das Bürgerliche Gesetzbuch entsprechend ändern.
Gefordert ist das Parlament auch
im zweiten Fall. Biologische Väter sollen künftig ein Recht erhalten,
die Vaterschaft eines anderen Mannes anzufechten - wenn dieser mit der
Mutter und dem Kind gar nicht zusammenlebt. Bisher war dem biologischen
Vater dies völlig verwehrt, nur der rechtliche, weil mit der Mutter
verheiratete Vater und das Kind konnten die Vaterschaft anfechten.
Abgesehen von diesen - recht
speziellen - Ausnahmen bestätigte Karlsruhe die geltende Rechtslage.
Es sei legitim, dass der Gesetzgeber versuche,
das Verhältnis der rechtlichen Eltern zu ihrem Kind vor dem Störpotenzial
eines biologischen Vaters zu schützen. Az. 1 BvR 1493/96,
1724/01. CHR
taz Nr. 7042 vom 30.4.2003,
Seite 2, 53 TAZ-Bericht CHR
http://www.taz.de/pt/2003/04/30/a0027.nf/text
taz muss sein: Was ist Ihnen die
Internetausgabe der taz wert? Sie helfen uns, wenn Sie diesen Betrag überweisen
auf: taz-Verlag Berlin, Postbank Berlin (BLZ 100 100 10), Konto-Nr. 39316-106
Bundesverfassungsgericht
stärkt die Rechte leiblicher Väter
Sie dürfen ihre Kinder auch gegen
den Willen der Mütter sehen, wenn es dem Wohl des Nachwuchses dient
Die Karlsruher Verfassungsrichter haben
biologischen Vätern mehr Rechte eingeräumt. Nach einer am Dienstag
veröffentlichten Entscheidung muss es ihnen unter bestimmten Voraussetzungen
möglich sein, ihre Vaterschaft gerichtlich klären zu lassen.
Sie müssen auch ein Umgangsrecht bekommen, wenn es dem Kindeswohl
dient. Der Gesetzgeber muss nun innerhalb eines Jahres eine Neuregelung
erlassen.
Von Ursula Knapp
KARLSRUHE, 29. April. Mit
der Entscheidung hatten die Verfassungsbeschwerden zweier Väter Erfolg.
Sie lebten jeweils länger mit Frauen zusammen, die die Lebenspartner
nach der Geburt der gemeinsamen Kinder verließen. In einem Fall argumentierte
der Vater, das 1998 geborene Kind sei ein Wunschkind gewesen. Er sei bei
der Geburt dabei gewesen und habe mit der Mutter den Namen ausgesucht.
Die Beziehung sei unter anderem deshalb gescheitert, weil die Mutter nicht
bereit war, ihn als Vater anzugeben. Seine Klage auf Anerkennung seiner
Vaterschaft scheiterte auf Grund der Gesetzeslage. Inzwischen hatte nämlich
ein anderer Mann die Vaterschaft anerkannt, ein Scheinvater, wie der Beschwerdeführer
meint. In solchen Fällen war der biologische Vater bislang jedoch
machtlos.
Hintergrund ist, dass das Gesetz den Ehemann
zum rechtlichen Vater bestimmt. Ist die Mutter nicht verheiratet, gilt
derjenige als Vater, der die Vaterschaft anerkennt. Nur wenn die Vaterschaft
bestritten wird, kommt es zu einer medizinischen Untersuchung. Behauptet
ein anderer Mann, der biologische Vater zu sein, hatte dieser bisher kein
Recht auf gerichtliche Klärung.
Die geltende Gesetzeslage wird von Feministinnen,
Juristinnenbund und dem Verband allein Erziehender unterstützt. Grund
ist der "soziale Friede" einer Familie. Er soll nicht dadurch gestört
werden können, dass Dritte möglicherweise missbräuchlich
die Vaterschaft reklamieren und damit die Beziehungen der Eltern und Kinder
nachhaltig beeinträchtigen.
Das sieht der Erste Senat ähnlich.
Auch in Zukunft soll sich ein Mann nicht in eine bestehende Lebensgemeinschaft
oder eine Ehe einklagen und seine Vaterschaft gerichtlich klären lassen
können. Der biologische Vater habe keinen Vorrang gegenüber dem
sozialen Vater. Die Richter machen aber eine Einschränkung: Leben
Mutter und Kind - wie in dem konkreten Fall - alleine, bestehe kein Schutzinteresse
für den Familienfrieden. Es widerspreche dem Grundrecht des mutmaßlichen
Vaters, wenn er auch in solchen Fällen seine Vaterschaft nicht gerichtlich
klären lassen und zum rechtlichen Vater werden könne.
Im zweiten Fall hatte der Vater das Kind
mit einer verheirateten Frau gezeugt, es in den ersten drei Lebensjahren
regelmäßig betreut und Unterhalt gezahlt. Nach dem Ende der
Beziehung kehrte sie zu ihrem Ehemann zurück, der juristisch als Vater
gilt, weil die Ehelichkeit des Kindes nicht angefochten wurde. Dem Erzeuger
der Tochter untersagte sie jeglichen Kontakt zu dem Kind und ließ
ihm gerichtlich den Aufenthalt in der Nähe der Wohnung verbieten.
Das Gericht erklärte mit seinem Beschluss
eine Vorschrift aus dem Jahre 1998 für verfassungswidrig, wonach der
leibliche, aber rechtlich nicht anerkannte Vater von vornherein vom Kontakt
mit seinem Nachwuchs ausgeschlossen ist - anders als etwa die Großeltern.
Auch hier verlangen die Richter eine Korrektur. Bestand eine familiäre
Beziehung zwischen leiblichem Vater und Kind und dient ein weiterer Kontakt
dem Wohl des Kindes, muss er ein Umgangsrecht erhalten.
(Az.: 1 BvR 1724/01 und 1493/96)
30.04.2003
http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/deutschland/?sid=8c8b3732c1415232509017c8d147c31f&cnt=203119
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
Mehr Rechte für leibliche
Väter
Vaterschaft eines anderen Mannes kann angefochten
werden
Von Helmut Kerscher
Karlsruhe - So genannte biologische
Väter erhalten mehr Rechte gegenüber Müttern und "Scheinvätern".
Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts können Erzeuger
künftig in besonderen Situationen ein Umgangsrecht mit gemeinsamen
Kindern einklagen sowie die Vaterschaft eines anderen Mannes anfechten.
Karlsruhe erklärte zwei Gesetze für teilweise verfassungswidrig,
die leiblichen Vätern ausnahmslos solche Rechte verweigern. Der Gesetzgeber
muss bis 30.April 2004 neue Regelungen für Fälle schaffen, in
denen ein leiblicher Vater sozialfamiliäre Beziehungen zu einem Kind
hatte und in denen ein weiterer Kontakt dem Kindeswohl dient. In solchen
Konstellationen bilde ein biologischer Vater mit seinem Kind eine verfassungsrechtlich
geschützte Familie, hieß es.
In zwei Verfahren ging es um atypische
Dreiecksverhältnisse, in denen statt des tatsächlichen oder mutmaßlichen
biologischen Vaters ein anderer Mann als rechtlicher Vater galt. Im ersten
Fall hatte eine verheiratete Frau 1989 von einem anderen Mann ein Kind
bekommen und mit ihm etwa dreieinhalb Jahre eine Beziehung unterhalten.
Ihr Ehemann hatte die Vaterschaft nicht angefochten, weshalb er nach dem
BGB rechtlich der Vater des Kindes war. Nachdem das Ehepaar wieder zusammengefunden
hatte, verweigerte es dem Erzeuger jeden Kontakt mit dem Kind. Dessen Verlangen
nach einem Umgang mit dem Kind wurde von den Gerichten mit umfassenden
Verboten beantwortet. Im anderen Fall hatte ein Palästinenser mit
israelischer Staatsangehörigkeit vergebens versucht, die Vaterschaft
für ein 1998 geborenes Kind anzuerkennen. Er bezeichnet es als Wunschkind,
bei dessen Geburt er dabei gewesen und dessen arabischer Name gemeinsam
ausgesucht worden sei. Die Frau bestritt dies und erklärte, dass ein
anderer Mann die Vaterschaft anerkannt habe. Die Gerichte lehnten die Klage
auf Feststellung einer anderweitigen Vaterschaft ab.
Das Verfassungsgericht musste in die schwierige
Diskussion um das Verhältnis von sozialer, biologischer und rechtlicher
Vaterschaft eingreifen. Es bestätigte den weit gehenden Schutz von
Müttern und Paaren vor Klagen tatsächlicher oder angeblicher
biologischer Väter. Ein "leiblicher, aber nicht rechtlicher Vater"
könne sich nicht auf das Elternrecht des Grundgesetzes berufen. Karlsruhe
sprach jedoch den Erzeugern erstmals andere aus dem Grundgesetz abgeleitete
Rechtspositionen zu. Wenn zwischen biologischem Vater und seinem Kind eine
soziale und von Verantwortung getragene Beziehung bestanden habe oder bestehe,
handle es sich um eine verfassungsrechtlich geschützte Familie. Als
Nachwirkung dieses Schutzes könne dem Erzeuger ein Umgangsrecht zuerkannt
werden, wenn dies dem Kindeswohl diene.
Zugleich bejahte das Gericht einen Schutz
des Interesses eines leiblichen Vaters an Einnahme der rechtlichen Position
eines Vaters. Ihm müsse diese Chance eröffnet werden, wenn nicht
der Schutz einer familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichen
Eltern entgegenstünde. (Az: 1 BvR 1493/96, 1724/ 01)
30.04.2003
http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/getArticleSZ.php?artikel=artikel3594.php
Urteil des Verfassungsgerichtes
macht Erzeuger zu Vätern
Karlsruhe/Leipzig. Angenommen: Frau Müller,
verheiratet, hat ein Verhältnis mit Herrn Meier. Die Liebe ist groß,
sie erwartet ein Kind von ihm, man zieht zusammen. Doch nach einigen Monaten,
das Kind ist geboren, verfliegen die Schmetterlinge. Herr Müller verzeiht,
nimmt seine Frau wieder auf - das Familienglück ist perfekt, der Betrogene
kraft seines Ehemann-Daseins Vater von Herrn Meiers Kind. Denn so läuft
das in Deutschland: In einer Ehe gilt rechtlich automatisch der Ehemann
als Vater eines Kindes seiner Frau. Im "besten Fall", sprich der Scheidung,
muss also unser Herr Müller auch noch Unterhalt für den Müller-Meier-Sprössling
zahlen. Die Gelackmeierten sind beide - mit dem Unterschied, dass dem wahren
Vater keine Wahl bleibt. Denn bislang haben leibliche, rechtlich aber nicht
anerkannte Väter keine Chance, den Kontakt zu ihrem Kind zu erzwingen.
Genau das hält das Bundesverfassungsgericht
nach einem gestern veröffentlichten Urteil für verfassungswidrig.
Deshalb muss die Bundesregierung innerhalb eines Jahres eine gesetzliche
Regelung dafür finden, wie leiblichen Vätern ein Umgangsrecht
zugebilligt werden kann. "Möglicherweise werden sich dann einige Liebhaber
mehr oder weniger in bestehende Ehen einmischen", mutmaßt Bernd Weifenbach,
Abteilungsleiter beim Leipziger Familiengericht. An eine bevorstehende
Klagewelle glaubt der Familienrichter allerdings nicht: Die wahren Kindesväter
würden doch in den meisten Fällen lieber im Dunkeln bleiben wollen.
Insgesamt hält er die Maßgabe aus Karlsruhe aber für einen
Fortschritt, da es nun ein Klagerecht für die leiblichen Väter
geben wird. Denn was für die Ehe gilt, muss auch für Lebensgemeinschaften
ohne Trauschein gelten.
Die ganze Sache hat nur einen gewaltigen
Haken, ärgert sich Dietmar Nikolai Webel, Bundesvorstand des Vereins
Väteraufbruch für Kinder, in dem fast jedes zehnte der 2000 Mitglieder
eine Frau ist. Das Bundesverfassungsgericht sieht eine Einzelfallprüfung
nämlich nur dann vor, wenn "die elterliche Verantwortung gelebt wurde".
In unserem Fall hat Herr Meier also Glück und darf demnächst
auf ein Umgangsrecht hoffen. Der Haken: Hätte Frau Müller nicht
für einige Monate mit dem Baby bei ihm gewohnt, bliebe für ihn
alles beim Alten. Deshalb meint Webel: "Mit dem Urteil ist die Macht der
Mutter bestätigt worden. Räumt sie dem Kindesvater nicht die
Möglichkeit ein, Verantwortung zu übernehmen, hat dieser weiterhin
keine Chance."
Doch die "Vetomacht" Mutter tasten die
Richter - wie bereits beim Sorgerechtsurteil - nicht an. Zu schwer wiegt
die Befürchtung, eine Änderung könne es auch für den
Erzeuger, der sich bei den ersten Anzeichen einer Schwangerschaft davon
gemacht hat, ermöglichen, Mutter und Kind zu drangsalieren. "Wer kein
Interesse am Kind hat, geht doch nicht den mühsamen Weg durch die
Instanzen", hält der Dietmar Nikolai Webel vom "Väteraufbruch"
dagegen.
Andreas Debski
30.04.2003
Leipziger Volkszeitung
vom Mittwoch, 30. April 2003
Von echten und falschen
Vätern
VON MARIANNE QUOIRIN
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte
leiblicher Väter gestärkt. Auch wenn sie nicht rechtlich als
Vater anerkannt sind, können sie ein Umgangsrecht mit ihren Kindern
erhalten.
Köln - Zwei Vätern, die
jahrelang um Kontakte zu ihren Kindern durch alle Instanzen gekämpft
haben, hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts Recht gegeben.
Gleichzeitig haben die Hüter der Verfassung den Vorrechten der Mütter
gewisse Grenzen gesetzt. Das bedeutet: Den Familiengerichten wird wieder
einmal eine heikle Abwägung zwischen dem Schutz der Familien, dem
Kindeswohl und dem Recht des leiblichen Vaters überlassen.
Nach dem gestern in Karlsruhe veröffentlichten
Beschluss dürfen biologische Väter, die nicht mit Mutter und
Kind zusammenleben, vom Recht auf Umgang mit ihren Kindern nicht völlig
ausgeschlossen werden. Auch darf ihnen nicht grundsätzlich verwehrt
bleiben, die Vaterschaft eines anderen anzufechten. Lebt aber das Kind
mit der Mutter und dem rechtlich anerkannten Vater zusammen, kann der leibliche
Vater diese Rechte nicht einklagen - wegen des vorrangigen Wohls des Kindes
und des besonderen Schutzes der Familie.
Die beiden Fälle erinnern auf den
ersten Blick an ungewöhnliche, sprich seltene Beziehungskisten. Das
erste Kind entstammt einer Affäre mit einer verheirateten Frau. Das
Kuckuckskind wurde aber nicht - wie durchaus üblich - dem Ehemann
als ein eigener Sprössling untergeschoben. Der biologische Vater betreute
das Kind. Nach dem Ende der Beziehung zur Mutter versuchte er, den Kontakt
zum Kind aufrechtzuerhalten. Aber die Ex-Geliebte wollte das nicht. Vor
dem Familiengericht hatte er keinen Erfolg, da das alte Kindschaftsrecht
den biologischen Vater strikt von Kontakten ausschloss, wenn die Mutter
es so wollte.
Im zweiten Fall hatte ein Mann versucht,
als Vater seines Kindes anerkannt zu werden. Aber die Mutter weigerte sich.
Er stellte deshalb beim Amtsgericht den formellen Antrag und wies darauf
hin, nach längerem Zusammenleben mit der Mutter auch bei der Geburt
des Kindes dabei gewesen zu sein. Das Kind sei ein gemeinsames Wunschkind
gewesen, er habe sogar das Kinderzimmer eingerichtet. Die Mutter verwies
darauf, ein anderer Mann habe ein Jahr nach der Geburt die Vaterschaft
anerkannt. Vor Gericht hatte der leibliche Vater keinen Erfolg, weil schon
der andere - mit Zustimmung der Mutter - rechtlich als Vater galt.
Das Verfassungsgericht entschied nun zu
Gunsten des biologischen Vaters, da der als rechtlicher Vater anerkannte
Mann nicht mit der Frau und dem Kind zusammenlebt. Die Begründung
des Gerichts: „Es gibt keinen hinreichenden Grund, dem leiblichen Vater
zu verwehren, auch rechtlich als Vater anerkannt und in die Pflicht genommen
zu werden.“ Das heißt: Er darf das Kind nicht nur sehen, sondern
auch mit Unterhalt beglücken.
(KStA)
30.04.2003
http://www.ksta.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1051522951927&
KINDER / Karlsruhe hält Vorschrift
des Kindschaftsrechts für verfassungswidrig
Leibliche Väter nicht
ganz rechtlos
Leibliche Väter können den Kontakt
zu ihren Kindern rechtlich erstreiten. Das Verfassungsgericht knüpft
das so genannte Umgangsrecht aber weiter an Bedingungen.
FM/DPA
KARLSRUHE Der im Grundgesetz festgelegte
Schutz der Familie gilt nicht nur für die Mutter, sondern auch für
den leiblichen Vater. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts
entschieden. Es stärkt damit das Recht des biologischen Vaters, der
rechtlich nicht anerkannt ist.
Zu viele Hoffnungen, den Kontakt zu ihren
Kindern rechtlich durchzusetzen, können sich Väter aber dennoch
nicht machen. Die Karlsruher Richter knüpfen die Möglichkeit
das Umgangsrecht mit dem Kind durchzusetzen an zwei Bedingungen: Die Beziehung
muss dem Wohl des Kindes dienen und der Vater muss eine Zeit lang tatsächlich
Verantwortung für das Kind mit getragen haben.
Das Gericht gab damit dem Vater eines inzwischen
14-jährigen Mädchens Recht. Er hatte das Kind mit einer verheirateten
Frau gezeugt, es in den ersten drei Lebensjahren regelmäßig
betreut und Unterhalt gezahlt. Nach dem Ende der Beziehung zum leiblichen
Vater kehrte sie zu ihrem Ehemann zurück, der juristisch als Vater
gilt, weil die Ehelichkeit des Kindes nicht angefochten wurde. Dem Erzeuger
des Kindes untersagte die Frau jeglichen Kontakt zu dem Kind und ließ
ihm sogar den Aufenthalt in der Nähe der Familienwohnung verbieten.
Die gerichtlichen Vorinstanzen wiesen die Klagen des Vaters gemäß
dem Kindschaftsrecht von 1998 ab.
Diese Vorschrift, dem leiblichen Vater
den Kontakt zu seinem Nachwuchs generell zu verwehren, halten die Karlsruher
Richter für verfassungswidrig. Sie fordern den Gesetzgeber auf, bis
30. April 2004 auch den Erzeuger des Kindes in den Kreis derjenigen aufzunehmen,
die als Elternteil ihre Verantwortung für das Kind wahrnehmen können.
Der Verein "Väteraufbruch" sieht in
dem Urteil noch keinen Durchbruch für sein Anliegen, den Müttern
rechtlich gleichgestellt zu werden. Immerhin eröffne das Urteil die
Möglichkeit, gerichtlicher Einzelfallprüfungen für ein Umgangsrecht
des leiblichen Vaters, wenn die Hürden dafür auch nach wie vor
hoch seien. Ende Januar waren unverheiratete Väter vom Ersten Senat
des Verfassungsgerichts enttäuscht worden. Er versagte ihnen das gemeinsame
Sorgerecht, wenn die Mutter dies ablehnt. Die Kläger hatten ebenfalls
Jahre mit ihren Kindern gelebt und sie versorgt.
30.04.2003
http://www.suedwest-aktiv.de/landundwelt/politik/artikel630477.php
Verfassungsrichter und Vaterschaft
Nur gute Väter dürfen
manchmal Vater werden
Vater zu sein ist keine Tatsache, sondern
eine Rechtsfolge. Das kann zu Komplikationen führen. Das Bundesverfassungsgericht
hat für Väter, die keine Väter sein dürfen, Verständnis
gezeigt - in Maßen.
Von Stefan Geiger
"Nehmt zur Kenntnis die Meinung der Alten:
Dass da gehören soll, was da ist, denen, die für es gut sind",
schreibt Bert Brecht im "Kaukasischen Kreidekreis". Und deshalb spricht
der Richter Azdak das Kind der Pflegemutter Grusche und nicht der Gouverneursfrau
zu, die die leibliche Mutter ist. Doch wozu ist Brecht in diesen Tagen
noch nütze, außer die Abiturienten zu traktieren?
Die Verhältnisse freilich, die sind
manchmal auch heute noch ähnlich verzwickt wie damals. Da ist beispielsweise
die Frau, die, seit acht Jahren mit einem Mann befreundet, ein Kind bekommt.
Sie sagt nicht, von wem, sie bestreitet alles, was mit dieser Beziehung
zu tun hat - "mit Nichtwissen", wie das die Juristen formulieren. Der Freund
ist sicher, dass es auch sein Kind ist. Es sei ein Wunschkind gewesen.
Er habe gemeinsam mit der Mutter alle Vorbereitungen für die Geburt
getroffen, das Kinderzimmer eingerichtet. Er war, so sagt er, bei der Geburt
dabei. Er habe die Nabelschnur durchschnitten. Er habe das Kind in den
ersten vier Monaten seines Lebens überwiegend betreut, da die Mutter
vormittags arbeiten ging. Die Mutter habe ihm gegenüber niemals einen
Zweifel daran geäußert, dass er der Vater sei.
Doch dann gab es Streit. Es gab Streit,
so sagt der Mann, weil die Mutter ihn beim Standesamt nicht als Vater des
Kindes angegeben habe. Er wollte Vater sein, er wollte für das Kind
sorgen. Und als er deshalb schließlich vor Gericht zog, erfuhr er
plötzlich, dass während des laufenden Gerichtsverfahrens - inzwischen
sind zwei Jahre seit der Geburt vergangen - ein anderer Mann die Vaterschaft
für das Kind anerkannt hat. Es ist der Freund des Bruders seiner ehemaligen
Geliebten, ein getrennt lebender "Strohvater" gewissermaßen, wie
der Mann, der so gerne der richtige Vater sein möchte, vermutet.
Aus einer Beziehung ist ein Rechtsstreit
geworden, der schließlich vor dem Bundesverfassungsgericht endet.
Wer eine Erklärung für all die Emotionen, möglicherweise
auch Ängste sucht, die dazu geführt haben, muss wissen, dass
der Mann, der vor Gericht beteuert, schon die dunklen Augen, die krausen
Haare, die Hautfarbe und die Gesichtszüge des Kindes ließen
kaum einen Zweifel an seiner Abstammung zu, ein Palästinenser mit
israelischer Staatsangehörigkeit ist.
Wer begreifen will, weshalb es zu diesem
Rechtsstreit kommen konnte, muss wissen, dass in Deutschland Vater zu sein
keine Tatsache, sondern eine Rechtsfolge ist: "Vater eines Kindes ist der
Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, der
die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt
ist", sagt der Paragraf 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Basta.
Wenn irgendein Mann die Vaterschaft eines Kindes anerkannt hat, dann kann
der wirkliche, der "biologische" Vater diese rechtlich gültige Vaterschaft
nicht mehr anfechten. So hat es der Gesetzgeber gewollt. Und so haben es
deshalb in diesem Fall alle bisher zuständigen Gerichte entschieden.
Da ist die verheiratete Frau, die einen
Geliebten hat. Und ein Kind bekommt. Sie will wissen, von wem, auch um
entscheiden zu können, mit wem sie künftig zusammenlebt. Der
Bluttest ergibt zweifelsfrei: Der Geliebte ist der leibliche, der biologische
Vater. Die Frau hatte sich drei Monate vor der Geburt ihres Kindes vom
Geliebten getrennt, ist wenige Monate nach der Geburt wieder zu ihm zurückgekehrt.
Der Ehemann ist ausgezogen. Der Geliebte kümmert sich in den folgenden
Monaten um das gemeinsame Kind, wie intensiv, ist später strittig.
Er habe sein Kind mehrmals wöchentlich betreut, sagt der Mann, sodass
eine enge und intensive emotionale Beziehung entstanden sei. Er habe das
Kind "nur stundenweise" betreut, sagt die Mutter. Zwischen ihr, dem leiblichen
Vater, der weiterhin eine eigene Wohnung hat, und dem Kind hätten
zu keiner Zeit "familiäre Verhältnisse" bestanden.
Der leibliche Vater und die Mutter zerstreiten
sich. Wegen Erziehungfragen, auch wegen "Unzuverlässigkeit und Eigenmächtigkeit"
des Mannes, sagt die Frau. Sie schränkt die Kontakte zu ihm ein, bricht
sie schließlich ab. Der Mann zahlt in den kommenden Monaten dennoch
Unterhalt für sein Kind, schließt eine Versicherung für
es ab.
Rechtlich gibt es dafür keinen Grund.
Denn der offizielle, der "rechtliche" Vater des Kindes ist der Ehemann,
der sich von seiner Frau zwar getrennt hatte, die Ehelichkeit des Kindes
aber nie angefochten hat. Er kehrt zu seiner Frau zurück. Der ehemalige
Geliebte, der nach Angaben der Kindsmutter den Unterhalt "ohne ihr Wollen"
gezahlt habe, wünscht nun die Erlaubnis, sein Kind manchmal besuchen
zu dürfen. "Umgangsrecht" nennen das die Juristen; von einer Beteiligung
am Erziehungs- und Sorgerecht ist nicht die Rede. Die Eheleute, die wieder
zusammengefunden haben, wollen das nicht, die Gerichte, die angerufen werden,
lehnen es ab. Auf Antrag der ehemaligen Geliebten untersagt das Gericht
dem leiblichen Vater, sich seinem Kind auch nur zu nähern, sich in
der Nähe von dessen Wohnung aufzuhalten, den Versuch zu unternehmen,
es noch einmal zu treffen. So ist das Gesetz.
Der Gesetzgeber hat einst im Ergebnis Brechts
Thesen zugestimmt und die "sozialen Eltern" gegenüber den "biologischen
Eltern" ein bisschen privilegiert, stärker als er je zugeben wollte.
Er tat dies nicht etwa deshalb, weil er die sozialistischen Ideale des
Schriftstellers geteilt hätte; eher schon, weil er die Menschen und
ihre Schwächen kannte. Vor allem aber, weil er Ruhe haben und die
Rolle der traditionellen Ehe bewahren wollte. Inzwischen zeigt sich allerdings,
dass die Welt nicht so einfach zu sortieren ist, wie Brecht und der Gesetzgeber
sich das einst gedacht haben. Dass die "sozialen Eltern" und die Eltern
in traditionell gesicherten Verhältnissen nicht immer nur die guten
sind und jene leiblichen Eltern, die sich außerhalb der traditionell
geordneten Verhältnisse bewegen, deshalb nicht notwendigerweise Rabeneltern
sein müssen.
Inzwischen nimmt die Gesellschaft, und
das bewegt sich auf einer ganz anderen Ebene, das "Biologische", die Abstammung,
auch wieder wichtiger und das Soziale unwichtiger. Nicht nur bei Eltern
und Kindern.
Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt
die Rechte der - "nur" - biologischen Väter gestärkt, aber nur
ein bisschen, behutsamer, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.
In den beiden so außergewöhnlichen Fällen, über die
das Gericht aktuell entschieden hat, können die beiden leiblichen
Väter immerhin hoffen. Der eine kann sogar hoffen, dass er, wenn sich
seine Angaben denn bewahrheiten, auch gesetzlicher Vater mit allen Rechten
und Pflichten wird. Aber nur, weil die Mutter mit dem mutmaßlichen
"Strohvater" nicht zusammenlebt, also keine schützenswerte "soziale
Familie" existiert.
Der andere kann hoffen, dass er das Umgangsrecht
doch noch bekommt. Wenn es dem Wohl seines Kindes nützt. Aber nur,
weil er über seine Spermien hinaus durch die Betreuung nach der Geburt
zum Gedeihen seines Kindes beigetragen hat und der Schutz dieser "familiären
Verantwortungsgemeinschaft" deshalb nachwirke. Und weil seine biologische
Vaterschaft bereits feststeht. Mehr hat er nicht gewollt, mehr könnte
er auch nicht bekommen, sagt das Gericht, weil es gelte, die existierende
traditionelle Familie zu schützen. Die ist dem Verfassungsgericht
weiterhin besonders wichtig. Das Bürgerliche Gesetzbuch muss entsprechend
geändert werden. Der Gesetzgeber darf aber für die nur biologischen
Väter hohe Hürden errichten. (Aktenzeichen: 1 BvR 1493/96)
Den meisten Vätern, die rechtlich
keine Väter sind, wird das alles nicht viel helfen. Weil die Verhältnisse
auch in der neuen Welt der Patchworkfamilien nicht so sind.
30.04.2003
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/414784?_suchtag=2003-04-30